[Work in progress – the development of subito services in the context of digital transformation]
Mark Homann 11 subito. Dokumente aus Bibliotheken e.V., Geschäftsstelle, Berlin, Deutschland
Abstract
The non-profit association subito has been a central platform for scientific information for more than 20 years. Libraries from Germany, Austria, and Switzerland have joined forces for the purpose of delivering copies from scientific journals and books in a legally compliant manner, by email and at guaranteed delivery times. But why is a copy delivery system even necessary in times of digital transformation? This question will be explored by highlighting the added value that subito generates both for its delivery libraries and for its users.
Keywords
subito, document delivery, copright, interlibrary loans
Einleitung
Seit vielen Jahren befindet sich die Bibliothekswelt in einem steten Wandlungsprozess, der sich in einer zunehmenden Ausweitung der digitalen Informationsangebote spiegelt: Bibliotheksnutzer können durch die ausgebauten Open-Access-Angebote mitsamt der DEAL-Ressourcen an ihrer Heimatbibliothek auf eine große Masse aktueller und nachgefragter Publikationen zugreifen [1]. Ein Zugriff auf die Bestände einer anderen Bibliothek ist oft obsolet geworden. Falls die benötigten Informationen doch nicht im physischen Bestand oder Netzwerk der Heimatbibliothek vorhanden sein sollten, stehen dank des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG) mittlerweile auch PDF-Lieferungen aus anderen Bibliotheken über die Fernleihe bereit. Alles ist irgendwie digital zugänglich, die Barrieren, an Informationen aus Bibliotheken zu kommen, sind abgebaut – so scheint es zumindest auf den ersten Blick.
Betrachtet man den aktuellen Stand allerdings genauer, muss man konstatieren, dass wir trotz dieser Verbesserungen von einem uneingeschränkten und unkomplizierten Zugang zu Bibliotheksressourcen noch einige Schritte weit entfernt sind: Nicht jede Bibliothek hat Zugriff auf die DEAL-Inhalte oder ist an das Fernleihsystem angeschlossen. Bibliotheken können auch nicht immer über die Fernleihe Kopien aus elektronischen Ressourcen anbieten, da ihre Abonnementverträge mit den Verlagen mitunter eine Lieferung für bestimmte Nutzungen einschränken oder sogar grundsätzlich untersagen. Vor diesem Hintergrund sind für Bibliotheken weiterhin Prüfverfahren auf Titelebene erforderlich, damit sie möglichst rechtssicher agieren können [2].1 Trotz urheberrechtlicher Spielräume ist also schon die Informationsversorgung der typischen nicht-kommerziellen Nutzerkreise von Bibliotheken durchaus komplex. Weit größere Hürden sind auszumachen im Hinblick auf Nutzerkreise, die nicht zu den typischen Adressaten bibliothekarischer Dienstleistungen gehören: Unternehmen jeglicher Couleur, Selbstständige, privat betriebene Hochschulen und Bibliotheken – um hier nur eine Auswahl der Betroffenen zu nennen. Ihnen ist der Informationszugang über die Fernleihe versperrt, da das UrhWissG keine Lieferungen an kommerzielle Nutzerkreise legitimiert. Ohne Lizenzierungsverfahren kann es demzufolge für kommerzielle Nutzer keine Lieferung von PDF aus Bibliotheken auf digitalem Weg geben. Ähnliche Barrieren bestehen für alle grenzüberschreitenden internationalen Lieferungen, da urheberrechtliche Regelungen und damit auch das UrhWissG nur national gelten und es noch an Lösungen der Verwertungsgesellschaften mangelt, diese Lücken und Leerstellen zu füllen. Eine europäisch verwobene Wissenschafts-, Arbeits- und Bildungswelt mit niedrigschwelligen Informationszugängen bleibt insofern nur eine Vision, als nach wie vor in vielen Fällen zusätzliche Lizenzierungsverfahren notwendig sind. Und genau an dieser Stelle kommt subito ins Spiel.
Mehrwerte für Bibliotheken duch zentrale Lizenzierungsverfahren
subito schafft für seine Lieferbibliotheken den rechtlichen Rahmen, Informationsressourcen unabhängig von einem Bibliothekskonto und den Barrieren des Urheberrechts zugänglich zu machen – und zwar international [3].2 Dies gelingt, indem subito sozusagen zweigleisig fährt: Einerseits werden urheberrechtliche Schranken genutzt, um Kopienlieferungen durchzuführen. Andererseits besitzt subito sogenannte Rahmenverträge, die mit Verlagen und Verwertungsgesellschaften geschlossen werden. Über diese Rahmenverträge werden für die subito-Bibliotheken zusätzliche Rechte erschlossen, weltweit Kopienlieferungen durchführen zu können, wobei die Zuordnung der Preis- und Lieferbedingungen auf der Grundlage diverser Nutzergruppenzuordnungen und Territorien erfolgt. In Zeiten, in denen analoge Bibliotheksbestände immer weiter zurückgehen und digitale umso stärker anwachsen, ist von besonderem Wert, dass bei allen lizenzrechtlichen Legitimationen über die Rahmenverträge digitale Ressourcen explizit miteingeschlossen sind. Das hat für die subito-Bibliotheken den Effekt, auch Kopien aus digitalen Ressourcen verschicken zu können, wenn die eigenen Verträge zwischen Bibliothek und Verlag eine Lieferung untersagen.
Durch das Konzept, urheberrechtliche Erlaubnisse und lizenzrechtliche Möglichkeiten kombiniert auszuschöpfen, können über das subito-Netzwerk derzeit Kopien aus ca. 30 Mio. Büchern und über eine Million Zeitschriftentiteln angeboten werden, wobei von diesen Zeitschriften über 350.000 E-Journals ausmachen. Studenten, Schülern, der universitären und außeruniversitären Forschung, öffentlichen Einrichtungen und auch Privatpersonen können Kopien aus diesen Beständen im gesamten deutschsprachigen Raum sowohl bei nationalen als auch grenzüberschreitenden Lieferungen weit unter regulären Lizenzpreisen der Verlage angeboten werden.3 In das Gefüge der nicht-kommerziellen Lieferungen gehört ebenso der sogenannte Library Service, mit dem subito ein eigenes System des nationalen und internationalen Dokumentenaustausches zwischen Bibliotheken betreibt – etwa 50% der eingehenden Bestellaufträge stammen von internationalen Bibliotheken. Grundprinzip ist hier, etablierte Standards der bibliothekarischen Welt anzuwenden und durch ergänzende Lizenzierungen einen Mehrwert zu generieren. Die Lieferung von Bibliothek zu Bibliothek erfolgt im Library Service auf elektronischem Weg; die nehmende Bibliothek muss dem Besteller getreu der IFLA-Prinzipien der Internationalen Fernleihe jedoch einen Papierausdruck übergeben [4]. Über die etablierten IFLA-Standards hinaus kann aber auch hier aus elektronischen Ressourcen digital geliefert werden, wenn ein Lizenzvertrag vorhanden ist. Die Vorteile für die Bibliotheken liegen damit auf der Hand: Sie müssen keine weiteren Systeme von Fremdanbietern einkaufen und können so die Anzahl von Systemen reduzieren, die in der Bibliothek betrieben werden; sie nehmen an einem System teil, das auch von Verlagen akzeptiert und somit rechtssicher ist und gleichzeitig günstig die Lieferung aus elektronischen Ressourcen ermöglicht. Und nicht zuletzt: Sie unterstützen mit subito ein eigenes System von Bibliotheken deutschsprachiger Länder, das ohne Gewinnerzielungsabsichten offen und kollaborativ betrieben wird.4
Neben diesen nicht-kommerziellen Lieferungen sind subito-Bibliotheken durch die Lizenzierungen ebenfalls dazu in der Lage, Nutzern, die nirgends anders auf ein verbund- und länderübergreifendes Angebot aus Bibliotheken zugreifen können, einen Informationszugang zu ermöglichen: so für die schon oben erwähnten kommerziellen Nutzer. Da ein blinder Fleck des UrhWissG war und bleibt, diese Nutzerkreise über eine Schranke elektronisch mit einem PDF beliefern zu können, werden hier grundsätzlich Lieferungen über Lizenzierungsverfahren zu kommerziellen Preisen ermöglicht. Obgleich subito an dieser Stelle augenscheinlich auch als Aggregator für Verlagsprodukte fungiert, sind Lieferungen an kommerzielle Nutzer überaus wichtig. subito schließt damit nicht nur eine klaffende Lücke der Informationsversorgung, indem Anwälten, Ärzten, Lehrkräften privater Hochschulen oder der Pharmaforschung ihre Arbeits-, Bildungs- oder Forschungstätigkeit überhaupt erst ermöglicht wird, wenn sie auf Informationen angewiesen sind, die nur Bibliotheken bereithalten. Vielmehr steht die Belieferung kommerzieller Nutzer auch im Einklang mit subitos gemeinnützigem Auftrag, Wissenschaft, Kultur und Bildung zu fördern. Denn der Service für kommerzielle Nutzer trägt nicht unwesentlich dazu bei, das Gesamtsystem zu finanzieren und die nicht-kommerziellen Lieferungen möglich zu machen.
Trotz des komplexen Netzes diverser Nutzergruppen, Liefermöglichkeiten, des Ineinandergreifens unterschiedlicher Schranken und Lizenzierungsmodelle und der damit verbundenen internationalen Finanzflüsse, ist die Teilnahme an subito für die Lieferbibliotheken denkbar einfach gestaltet: Der Betrieb des subito-Netzwerkes wird zentral von der subito-Geschäftsstelle in Berlin organisiert, die als Schnittstelle zwischen Bibliotheken und Verlagen den lizenzrechtlichen Rahmen generiert, das Bestellportal mit der Nutzer- und Lizenzverwaltung betreibt und den Bibliotheken das Rechnungswesen abnimmt. Hierbei ist das subito-Portal für Lieferbibliotheken wie Nutzer das alle Prozesse steuernde Schaltzentrum. Auch Rechercheverhalten und -kompetenzen verändern sich sukzessive in einer digitalisierten Welt. Mittlerweile werden, um diesen sich ändernden Bedingungen auf Nutzerseite entgegenzukommen, unterschiedliche Zugänge zu den subito-Ressourcen angeboten: mit dem subito Katalog + ein Discoverysystem – in dem über eine Aufsatzdatenbank mehr als 360 Mio. Aufsatztitel sowie die 30 Mio. Bücher und eine Mio. Zeitschriften nachgewiesen werden – sowie ein Zeitschriftenkatalog, über den über DOI-, PubMed-ID oder manuelle Titeleingabe ein Bestellauftrag aufgegeben werden kann. Für Buchtitel wird auf dem subito-Portal eine Meta-Abfrage unterschiedlicher Verbund- und Lokalkataloge angeboten. Bestellt der Nutzer auf dem Portal eine Kopie, wird die Bestellung an die Bibliothek weitergeleitet. Anders als bei der Fernleihe sind beim subito-Workflow für die Bibliotheken keine weiteren Prüfverfahren notwendig. Die Lieferbedingungen für die einzelnen Nutzergruppen und Titel sind im subito-System implementiert – genau wie Titel- und Preislisten, die die Wissenschaftsverlage zuvor an subito geschickt haben. Alle Bestellaufträge, die bei den Bibliotheken ankommen, sind also bereits geprüft und müssen nur noch bearbeitet und an die Geschäftsstelle zurückgeschickt werden.5 Damit ist der Workflow für die Bibliotheken erledigt. Die Scans werden in der Geschäftsstelle mit einem Wasserzeichen versehen, zum Teil mit einem DRM-Kopierschutz belegt und als PDF, neuerdings bei Verfügbarkeit auch mit Textanteilen, per E-Mail oder per Browser als Online-Fax für den Einmalausdruck an die Besteller ausgeliefert. Im Nachgang erstellt und verschickt die Geschäftsstelle die Rechnungen (gemäß EU-Vorgaben auf Wunsch auch E-Rechnungen auf xml-Basis), überwacht Zahlungseingänge und verteilt die eingegangenen Beträge an Bibliotheken, Verlage und Verwertungsgesellschaften.
Dokumentlieferung als Baustein des digitalen Transformationsprozesses – ein Ausblick
Es ist kein Geheimnis, dass aufgrund der digitalen Transformation Systeme der Kopienlieferung nicht mehr so eine zentrale Bedeutung für Bibliotheken und ihre Nutzer haben wie noch vor einigen Jahren und sie es in Sachen Einfachheit und Schnelligkeit nicht mit einem Direktzugriff auf digitale Ressourcen in einer Bibliothek aufnehmen können. Aber das ist auch nicht ihr Sinn. Sie erfüllen heute die Aufgabe, einen zentralen, schnellen und digitalen Zugriff für ebenjene Fälle zu generieren, in denen Informationsressourcen nur analog vorgehalten werden oder Nutzer keinen Zugriff auf digitale Informationsressourcen haben. Sie schaffen also Mehrwerte, indem sie für Bibliotheken zusätzliche Liefergebiete, Nutzerkreise und erweiterte Nutzungsrechte für ihre digitalen Ressourcen erschließen. Somit sind sie zwar nicht die Treiber, aber ein Baustein des digitalen Transformationsprozesses. Es gilt darum, auch Systeme der Kopienlieferung weiter zu entwickeln, komfortabler zu gestalten und ihre Funktion weiter zu verbessern, um letztendlich auch die Distanz zu den Angeboten des Direktzugriffs, die an Bibliotheken vorzufinden sind, zu verringern. Hierzu gehören auch die Verfügbarkeitsmachung von Kopien aus E-Books, die Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit z.B. durch die Anwendung von OCR-Verfahren und natürlich auch die Erschließung weiterer Lieferwege durch Lizenzen, deren Höhe nicht abschrecken, sondern von den Informationssuchenden akzeptiert werden – all dies sind Projekte, die auch bei subito in Zukunft eine Rolle spielen. Gleichwohl ist es evident, dass wissenschaftliche Dienste wie subito immer auch nur so gut wie das Informationsangebot sein können, das sie zugänglich machen. Es reicht aus diesem Grund nicht aus, nur die Rahmenbedingungen zu schaffen, ein besseres Angebot aus wissenschaftlichen Publikationen per Kopienlieferung zu ermöglichen. Es ist auch essenziell und unerlässlich, dass diese auch von möglichst vielen Bibliotheken genutzt werden, um die eigenen Bestände anzubieten, damit sich Synergieeffekte eines kollaborativ betriebenen Systems stärker entfalten.
Anmerkungen
1 Dass immer noch Prüfverfahren vor einer Kopienlieferung aus E-Journals über die Fernleihe notwendig sind, verdeutlicht die unlängst erschienene Handreichung der Rechtskommission des DBV. Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V.: Welche Inhalte dürfen in der Fernleihe digital geliefert werden?
2 Neben 30 großen und kleineren deutschen Lieferbibliotheken gehören mit der ETH Zürich eine Bibliothek aus der Schweiz und mit der UB der Medizinischen Universität Wien und der Österreichischen Zentralbibliothek für Physik Wien zwei Bibliotheken aus Österreich zum subito-Netzwerk. Sie alle liefern Kopien aus analogen und digitalen wissenschaftlichen Zeitschriften. Viele der Einrichtungen bieten Entleihungen ganzer Bücher an.
3 Der Gesamtpreis für eine subito-Bestellung setzt sich aus einer Bearbeitungspauschale der Bibliotheken und einer Tantieme oder Lizenz zusammen. Je nach Nutzergruppe und Vertragsvariante liegen diese ermäßigten Lizenzsätze in Höhe der VG Wort-Tantiemen von 1,50 EUR bis 3,50 EUR oder von 5 EUR bis 7,50 EUR. Es ist sichergestellt, dass für innerdeutsche Lieferungen nie Lizenzsätze gelten, die höher als die VG Wort-Sätze sind. Nicht-kommerzielle Nutzer finden somit immer mindestens gleichwertige Lieferbedingungen vor, wie sie durch die Schranken des UrhWissG vorgegeben sind. Neu ist, dass in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsverlagen erste Schritte gegangen worden sind, die ermäßigten Preise für nicht-kommerzielle Nutzungen in ganz Europa auszuweiten.
4 Der subito-Betrieb wird gewährleistet, indem die Bibliotheken einen Mitgliedsbeitrag und eine Bestellpauschale aufwenden müssen. Gleichzeitig werden die Bearbeitungspauschalen an die Bibliotheken ausgeschüttet. Dieses Finanzierungssystem hat den Zweck, das System möglichst kostenneutral betreiben zu können. Oberstes Organ subitos ist die Mitgliederversammlung. In dieser können die Lieferbibliotheken über den Kurs des Vereins bestimmen, so etwa Gebühren festlegen, Projekte lancieren, über die Ausgestaltung von Lieferwegen entscheiden.
5 In der Regel wird dieser Prozess über die browserbasierte DoD-Software durchgeführt – eine Eigentlwicklung der Geschäftsstelle, die den Lieferbibliotheken kostenlos bereitstellt wird. subito kann aber auch in kommerzielle Applikationen wie MyBib eDoc von ImageWare eingebunden werden.
Interessenkonflikte
Der Autor ist Leiter der Geschäftsstelle von subito. Dokumente aus Bibliotheken e.V.
Literatur
[1] Geschichte des Open Access. Open Access Network; [zuletzt bearbeitet am 12.05.2025, abgerufen am 04.12.2025]. Verfügbar unter: https://open-access.network/informieren/open-access-grundlagen/geschichte-des-open-access[2] Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V., Hrsg. Welche Inhalte dürfen in der Fernleihe digital geliefert werden? Handreichung. Stand: Juli 2024. dbv; 2024. Verfügbar unter: https://www.bibliotheksverband.de/sites/default/files/2024-08/2024-08-29_Handreichung%20Kopienversand_final.pdf
[3] Lieferbibliotheken im subito Customer Service (Endkunden). subito; 2025 [abgerufen am 04.12.2025]. Verfügbar unter: https://www.subito-doc.de/suppinfo
[4] International Federation of Library Associations and Institutions. International Resource Sharing and Document Delivery: Principles and Guidelines for Procedure (2009 Revision). International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA); 2009. Verfügbar unter: https://repository.ifla.org/items/0db700d9-8452-4b66-8001-bca027675024



