[IMAGINE – impressions from the EAHIL conference 2025 in Łódź, Poland]
Michaela Beißer 1Nicolas Kusser 1
1 Teilbibliothek Medizin, Universitätsbibliothek Augsburg, Universität Augsburg, Deutschland
Abstract
The 2025 Annual Conference of the European Association for Health Information and Libraries (EAHIL) took place this year from 10 to 13 June 2025 in Łódź, Poland, under the motto “IMAGINE”, and provided a platform for professionals from across Europe to engage in exchange, professional development, and networking. This report offers an overview of key themes and impressions from the conference, which was characterized by a wide range of practice-oriented and scholarly contributions. Central topics included current challenges in medical librarianship, such as information literacy in the age of artificial intelligence, strategies for managing work-related stress, approaches to fostering community engagement, and the responsible handling of research integrity and predatory publishing. In addition, topics related to library pedagogy were well represented, for example, gamification in the context of teaching libraries and creative communication strategies aimed at stakeholders and target groups relevant to medical libraries. Overall, the conference highlighted the evolving role of libraries as dynamic learning environments that foster knowledge, reflection, and community.
Keywords
EAHIL 2025, conference report, artificial intelligence, gamification, information literacy
1 IMAGINE – Industriekultur trifft auf medizinisches Bibliothekswesen
Vom 10. bis 13. Juni 2025 fand die Jahrestagung der European Association for Health Information and Libraries (EAHIL) unter dem Motto „IMAGINE“ (Inform, Manage, AI, Grow, Integrate, Network, Explore) in Łódź, Polen, statt. Die Tagung brachte Fachkolleginnen und -kollegen aus ganz Europa und darüber hinaus zusammen, um in einen intensiven Austausch über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen im Bereich des medizinischen Bibliothekswesens zu treten. Łódź (gesprochen „Wudsch“) ist mit rund 650.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die viertgrößte Stadt Polens. Die Stadt blickt auf eine faszinierende industrielle und kinematographische Geschichte zurück, was eine spannende Tagungsatmosphäre versprach: Ihren Aufstieg erlebte die Stadt während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert als Zentrum der polnischen Textilindustrie. Seitdem war sie in rasantem Tempo angewachsen und entwickelte sich beständig weiter, etwa als Zentrum der polnischen Filmindustrie im 20. Jahrhundert. Der Tagungsort spiegelte diesen industriellen Geist auf beeindruckende Weise wider – das Vienna House Andel’s Lodz, ein Hotel, das in einer umgebauten ehemaligen Textilfabrik einen modernen Tagungsraum bietet, liegt mitten auf dem Areal der Manufaktura, einem früheren Industriepark. Dieses Ensemble, das heute neben der vier Kilometer langen Einkaufsstraße „Ulica Piotrkowska“ als Quasi-Stadtzentrum mit Museum, Kino, Restaurants und Cafés dient, bot einen stimmungsvollen Rahmen für die Konferenz und lud immer wieder auch für Pausen zwischen den Vorträgen ein.
2 Themen und Vorträge der EAHIL 2025-Tagung in Auswahl
Die EAHIL-Tagung zeichnete sich wie gewohnt durch eine vielfältige Mischung aus praxisnahen Workshops für die tägliche Bibliotheksarbeit und wissenschaftlichen Sessions für eine weitergehende Auseinandersetzung mit informationswissenschaftlichen Fragestellungen aus. Besonders eindrücklich waren für uns diejenigen Veranstaltungen, die zentrale Themen (medizin-)bibliothekarischer Arbeit adressierten und uns damit einen Vergleichsmaßstab bzw. internationale Perspektiven für unsere eigene Arbeit an der Universitätsbibliothek Augsburg eröffneten. Im Folgenden wollen wir exemplarisch von einigen ausgewählten Workshops und Vorträgen berichten, um einen Eindruck der Tagung zu vermitteln – aufgrund der Vielzahl der Beiträge des Programms [1] ist dies jedoch nur in Auswahl und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit möglich.
2.1 Systematische Recherchemethoden
Bibliothekarischen Dienstleistungen im Rahmen von Systematic Reviews kommt im weltweiten und europäischen Vergleich im Durchschnitt wohl eine größere Bedeutung in der täglichen Praxis zu, als dies hierzulande oft noch der Fall ist. Dies ließ sich auch am Tagungsprogramm erkennen, in dem Beiträge zu systematischen Recherchemethoden einen nicht unbedeutenden Raum einnahmen. Ein in hohem Maße praxistaugliches Beispiel hierfür war etwa der – vollständig ausgebuchte – Workshop von Wichor Bramer (Erasmus Universität Rotterdam) „Growing Confidence in Systematic Searching: Managing and Exploring Bibliographical Databases“. Hier wurde eine effiziente Methode zur Entwicklung von Single Line Searches vorgestellt – also komplexen Suchstrategien, die vollständig in einer Zeile dargestellt werden können. Basierend auf einem in Rotterdam entwickelten Ansatz für systematisches Recherchieren [2] zeigte Bramer, wie klassische Textverarbeitungsprogramme (z.B. MS Word) für die strukturierte und reproduzierbare Erstellung von Suchstrings eingesetzt werden können. Viele der vorgestellten Tipps, beispielsweise zum Finden neuer Suchbegriffe oder zur effektiven Dokumentation der Suchstrategie, lassen sich künftig gewinnbringend in der eigenen Arbeits- und Recherchepraxis verwerten.
2.2 Achtsamkeit und Resilienz im Berufsalltag
Ein nicht zu unterschätzender Mehrwert von Tagungen wie der EAHIL ist, dass sie den eigenen Blickwinkel weiten, neue Perspektiven aufzeigen und Reflexionsräume für die tägliche Praxis eröffnen können. Dies zeigte sich etwa anhand eines weiteren Programmpunkts am ersten Tag des Kongresses, der sich einem in der bibliothekarischen Fachdiskussion bislang noch nicht allzu stark präsenten Thema widmete: „Navigating Wellness at Work: Using Mindfulness to Combat Burnout in Libraries“. Der Kurs, Teil des EAHIL-Fortbildungsprogramms (Continuing Education Courses), thematisierte die hohe Arbeitsbelastung im Bibliothekswesen – ein Phänomen, das nicht auf einzelne Länder beschränkt ist, wie sich herausstellte. In den Diskussionen zeigte sich, dass Personalmangel, steigende Aufgabenvielfalt und unklare Rollenbeschreibungen häufig zu Stress und Überforderung führen. Zentrale Erkenntnisse des Austausches waren dabei, dass eine realistische Selbsteinschätzung, klare Grenzen und bewusste Erholungsphasen essenziell sind, um langfristig gesund und beruflich motiviert zu bleiben.
2.3 Community Engagement – Bibliotheken als soziale Räume
Unter dem Titel „Building Community Engagement“ wurden daneben auch inspirierende Praxisbeispiele vorgestellt, wie Bibliotheken die soziale und emotionale Gesundheit ihrer Nutzenden sowie ihrer Beschäftigten fördern können. Besonders eindrucksvoll war der Beitrag aus Turku (Finnland), wo „Board Game Nights“ zu einem festen Bestandteil der studentischen Kultur geworden sind. In Oxford wiederum setzt man auf niederschwellige Angebote für Mitarbeitende und Studierende – von Puzzles und Malbüchern bis zu Spaziergängen und Buchclubs. Diese Vielfalt an Ideen verdeutlicht, wie breit das Spektrum bibliothekarischer Community-Arbeit heute gefasst werden kann und wird. Auch hier konnten wir von den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland dazulernen und haben die Idee sofort nach Rückkehr in unserer eigenen Bibliothek umgesetzt (Abbildung 1 [Abb. 1]) – sehr zur Freude unserer Studierenden und Mitarbeitenden, die nun auch in Augsburg ihre Mittagspause puzzelnd verbringen können.
Abbildung 1: Puzzlestation in der Teilbibliothek Medizin der Universität Augsburg
Foto: Michaela Beißer, Universität Augsburg
Kolleginnen aus Schweden haben darüber hinaus ein landesweites Netzwerk für Informationspezialistinnen und -spezialisten vorgestellt, das diejenigen unterstützen soll, die Forschende bei der Erstellung von Suchstrategien für Systematic Reviews beraten und begleiten. Dieser Ansatz war sofort vertraut, gibt es mit der AG Evidenzbasierte Medizin (AG EBM) ein ähnliches Netzwerk bereits innerhalb der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) [3].
2.4 Künstliche Intelligenz und Informationskompetenz
Eine Tagung wie die EAHIL lebt schließlich auch von aktiver Beteiligung. Die Teilbibliothek Medizin der Universitätsbibliothek Augsburg war etwa in der Session „AI and Information Retrieval“ mit einem Beitrag vertreten. In der genannten Session stand dabei das Thema Künstliche Intelligenz im Rechercheprozess im Mittelpunkt. Im Augsburger Vortrag „Exploring the Role of Information Literacy in AI-Driven Literature Search: Implications for Medical Libraries“ wurde aus bibliothekarischer Sicht die Frage aufgeworfen, welche Rolle Bibliotheken künftig bei der Vermittlung von AI Literacy spielen können. Eine vollumfänglich verstandene Informationskompetenz müsse heute notwendigerweise auch den reflektierten und kritischen Umgang mit KI-gestützten Tools umfassen. Dabei kam auch das neue Augsburger Kursformat „Integrating AI into the Research Process“ zur Sprache, das im Wintersemester 2024/25 in Zusammenarbeit mit dem Graduiertenzentrum und der Fakultät für Angewandte Informatik startete und mittlerweile auch durch fachspezifische Workshops in der Medizinischen Fakultät ergänzt wird.
2.5 Predatory Publishing und wissenschaftliche Integrität
Besonders gut besucht war der interaktive Workshop „Navigating the Publishing Trap – Safeguarding Researchers from Predatory Practices“ (KU Leuven), der sich dieses für alle Bibliotheken drängenden Themas angenommen hatte. In Fallstudien und Gruppendiskussionen analysierten die Teilnehmenden konkrete Beispiele unseriöser Publikationspraktiken. Gemeinsam wurden Strategien erarbeitet, wie Bibliotheken Forschende besser dabei unterstützen können, seriöse Zeitschriften zu erkennen und ethisch verantwortungsvoll zu publizieren. Besonders wurde dabei auf Praxisrelevanz und Erfahrungsaustausch geachtet, sodass sich die erarbeiteten Ergebnisse vollumfänglich für die tägliche Beratungspraxis verwerten lassen.
2.6 Gamification gegen Fehlinformation
Ein weiterer spannender Ansatz wurde im Workshop „Using Gamification to Combat Health Misinformation“ (Medical University of South Carolina) vorgestellt. Mit Methoden wie Bingo-Karten oder Escape Games lassen sich Informationskompetenztrainings spielerisch gestalten – ein Ansatz, der auch für die Universitätsbibliothek Augsburg inspirierend sein dürfte. Besonders interessant war der Einsatz digitaler Tools wie Feedback Fruits (https://feedbackfruits.com/) oder ThingLink (https://www.thinglink.com/en), die den Lernprozess interaktiv unterstützen.
2.7 Weitere Impulse
Daneben boten noch weitere Beiträge wertvolle Anregungen zur Weiterentwicklung der eigenen bibliothekarischen Services und Angebote. So stellte ein Workshop unter dem Titel „Slogans for Libraries“ (University of Eastern Finland) kreative Methoden vor, um einprägsame Botschaften für die eigene Einrichtung zu entwickeln. Häufig als Werbemaßnahme für Kurse, Workshops und weitere Services benötigt, ist hier die Kreativität der Bibliothekarinnen und Bibliothekare gefragt. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten auch von Institutionsmottos, die ein Zugehörigkeitsgefühl herstellen und als Wiedererkennungsmerkmal dienen sollen. Ein schönes Beispiel war der Slogan der Universitätsbibliothek Turku (Finnland) „May the Library be with you“, angelehnt an das berühmte Star-Wars-Zitat „May the Force be with you“. In Turku wird dieses unter anderem auf Stofftaschen, Lesezeichen und Teampullovern verwendet und erzeugt so einen Wiedererkennungseffekt.
Der Vortrag „Smart Searches on a Budget“ präsentierte eine neue technische Entwicklung für komplexe Suchanfragen in PubMed. Bekanntermaßen erlaubt die Proximity Search in PubMed keine Verwendung von Trunkierungen. Möchte man also verschiedene Wortendungen in Kombination mit der Proximity Search in die Suchstrategie mit aufnehmen, muss jede Wortendung einzeln aufgenommen werden. Damit keine Endung vergessen wird, hat ein Team der Universität Maastricht ein Tool entwickelt, das automatisch Wortvarianten für Trunkierungen generiert – ein Schritt in Richtung smarterer, KI-gestützter Suchunterstützung.
3 Rahmenprogramm und Tagungsatmosphäre
Das Rahmenprogramm trug wesentlich zur besonderen Atmosphäre der Tagung bei. Bei der First-Timer Reception in der Mediateka MeMo, einem Teil der Łódźer Stadtbücherei, die uns mit der Schaukel im Lesesaal, dem Orchesterraum und der Legowand (Abbildung 2 [Abb. 2]) sehr begeisterte, bestand die Möglichkeit, sich mit anderen erstmaligen Teilnehmern der Konferenz sowie dem EAHIL Council, also dem Vorstand der EAHIL zu vernetzen, gemeinsam ins Gespräch zu kommen oder sich Tipps zu holen, wie man den polnischen Nahverkehr am besten nutzt. Auch bei der Welcome Reception im Central Museum of Textiles am darauffolgenden Tag oder einer Stadtführung und dem abschließenden Galadinner am letzten Tag der Konferenz ergaben sich viele Gelegenheiten zum informellen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. Aber nicht nur das Abendprogramm bot Raum für Begegnungen jenseits des fachlichen Programms: Jede Pause wurde fleißig dazu genutzt, mit Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, aber auch den anwesenden Firmen- und Verlagsvertretern ins Gespräch zu kommen. Nicht zuletzt der reibungslose Tagungsablauf und die wirklich hervorragende Verpflegung trugen zu einer entspannten und angenehmen Tagungsatmosphäre bei, sodass auch bei den anspruchsvollsten Sessions keine Ermüdungserscheinungen zutage traten.
Abbildung 2: Legowand in der Mediateka MeMo mit Gruß aus Augsburg („Aux“)
Foto: Michaela Beißer, Universitätsbibliothek Augsburg
4 Fazit
Die EAHIL-Tagung 2025 in Łódź war in vielerlei Hinsicht inspirierend: Sie zeigte, wie lebendig, international und zukunftsorientiert das bibliothekarische Feld heute ist. Besonders deutlich wurde, dass Bibliotheken zunehmend als Lernräume des Wandels agieren – Orte, an denen nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch neue Kompetenzen, Haltungen und Netzwerke entstehen. Themen wie KI, Resilienz, Community Building und ethisches Publizieren werden die bibliothekarische Arbeit auch in den kommenden Jahren prägen. Für die Beitragenden dieses Textes, die wir beide zum ersten Mal an der EAHIL-Tagung teilgenommen haben, zeigte sich darüber hinaus deutlich, dass Vernetzung und Austausch mit Fachkolleginnen und -kollegen – gerade über die Ländergrenzen hinweg – zu einem entscheidenden Faktor für innovative bibliothekarische Arbeit werden können. Zurück bleibt für uns nach mehreren Tagen Konferenz der Eindruck einer Stadt, die ihre industrielle Vergangenheit mit kreativer Energie auf ganz neue Weise denkt und der Blick auf ein ebenso innovatives medizinisches Bibliothekswesen, das in ganz Europa (und auf der Welt) tagtäglich Höchstleistungen für Forschung, Lehre und Wissenschaft vollbringt.
Anmerkungen
Interessenkonflikte
Die Autorin und der Autor erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitrag haben.
ORCID des Autors
Nicolas Kusser: 0009-0005-4141-0692
Danksagung
Für die Unterstützung unseres Aufenthalts sei an dieser Stelle der AGMB herzlich gedankt, ohne die dies in dieser Form nicht möglich gewesen wäre.
Wir bedanken uns darüber hinaus bei Dr. Evamaria Krause für die Durchsicht des Manuskripts.
KI-Nutzung
Der Text wurde auf Basis eines Vortrags auf der AGMB-Jahrestagung in Linz erstellt. Hierbei kam ChatGPT 5 als Formulierungshilfe sowie beim Lektorat zum Einsatz.
Literatur
[1] European Association for Health Information and Libraries. Schedule EAHIL 2025 Workshop; 2025 Jun 9-13; Łódź, Poland. Available from: https://eahil2025.umed.pl/programme/schedule/[2] Bramer WM, de Jonge GB, Rethlefsen ML, Mast F, Kleijnen J. A systematic approach to searching: an efficient and complete method to develop literature searches. J Med Libr Assoc. 2018 Oct;106(4):531-41. DOI: 10.5195/jmla.2018.283
[3] von Gernler M, Krause E, Dressler C. Mitteilungen aus der Arbeitsgemeinschaft Evidenzbasierte Medizin der AGMB. GMS Med Bibl Inf. 2025;25(1):Doc02. DOI: 10.3205/mbi000615



