Medizinische Labordiagnostik in Deutschland – ein Statusbericht 2024
Michael Vogeser 1Timo Schumacher 2
Frank Bühling 3
1 Institut für Laboratoriumsmedizin, LMU Klinikum, Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland
2 Praxis Schumacher, Langer, Schumacher, Schwanewede, Akademische Lehrpraxis der Universität Göttingen und der Medizinischen Hochschule Hannover, Schwanewede, Deutschland
3 labopart – Medizinische Laboratorien, Dresden, Deutschland
Zusammenfassung
Hintergrund und Ziel der Arbeit: Labordiagnostik (In-vitro-Diagnostik, IVD) ist eine der wesentlichen Säulen der evidenzbasierten medizinischen Versorgung; für viele medizinische Bereiche – wie beispielsweise die Endokrinologie – sind Laboruntersuchungen konditional, jedoch für kein Fach verzichtbar. Die Mehrzahl der Diagnosen kann nur unter Berücksichtigung von Laboruntersuchungen zuverlässig gestellt werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, im Sinne grundlegender Versorgungsforschung insbesondere auf Basis öffentlich zugänglicher Daten die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit IVD in einer Gesamtschau zu beschreiben und Entwicklungsperspektiven zu diskutieren.
Methoden: Hierfür wurden insbesondere die Gesundheitsberichterstattung des Bundes und des Statistischen Bundesamtes, das Arztregister der Bundesärztekammer sowie Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen ausgewertet, zudem eine große Zahl von öffentlich zugänglichen Informationen von Verbänden und medizinischen Institutionen.
Ergebnisse: Die Versorgung mit Laborleistungen erfolgt in Deutschland stark zwischen den Sektoren verzahnt durch niedergelassene Laborärzte, in stationären Einrichtungen sowie auch direkt in den Praxen und medizinischen Versorgungszentren (MVZs) anderer Facharztgruppen. Derzeit sind ca. 1.200 Fachärztinnen und Fachärzte für Labormedizin und 840 Fachärztinnen und Fachärzte für Mikrobiologie tätig, was zusammen ca. 0,7% aller Fachärzte entspricht. Etwa 2/3 der Laborärztinnen und Laborärzte sind im niedergelassenen Bereich tätig. Nach der Gruppe der Allgemeinmediziner sind die Laborärztinnen und Laborärzte – als Vertreter eines nicht-kurativen Fachs – die am zweithäufigsten konsultierte Arztgruppe in Deutschland. Insgesamt arbeiten etwa 108.000 Personen in medizinischen Laboratorien (1,8% des gesamten Gesundheitspersonals). Die jährlichen Ausgaben für Labordiagnostik liegen bei etwa 150 Euro pro Kopf, in der Summe bei ca. 12,9 Mrd. Euro jährlich, was ca. 2,6% der gesamten Kosten des deutschen Gesundheitswesens entspricht. Noch ca. 17% der Kliniken – überwiegend Maximalversorger – verfügen über eine eigene Laborinfrastruktur, während die Mehrzahl der Kliniken aus dem niedergelassenen laborärztlichen Bereich mit Laborleistungen versorgt wird. In diesem Bereich realisieren mittlerweile überwiegend recht große labormedizinische Einheiten auf Basis einer komplexen Logistik- und Dateninfrastruktur die flächendeckende Versorgung mit Laboruntersuchungen, die von patientennaher Labordiagnostik in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren unterschiedlicher Disziplinen flankiert wird.
Schlussfolgerung: Aus öffentlich zugänglichen Quellen kann ein recht umfassendes Bild der Versorgung mit Laborleistungen in Deutschland gewonnen werden. Die Labordiagnostik stellt ein wesentliches und effizientes, systemrelevantes Element des deutschen Gesundheitswesens dar, bei dem eine relativ gesehen kleine Anzahl von Fachärztinnen und Fachärzten sowie medizinischen Fachkräften eine große Verantwortung für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Versorgung trägt.
Schlüsselwörter
In-vitro-Diagnostik (IVD), Labordiagnostik, Labormedizin, Diagnostik, Versorgungsforschung, Deutschland, Statistik
Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist es, der Medizinöffentlichkeit einen gesamthaften Überblick über die Strukturen und Prozesse der medizinischen Labordiagnostik in Deutschland zu geben – als grundlegenden Beitrag zur Versorgungsforschung im Bereich der Laboratoriumsdiagnostik. Die Arbeit ist Follow-up einer Vor-Erhebung [1].
Die Resultate von Laboruntersuchungen sind für einen sehr großen Teil der ärztlichen Entscheidungen unterschiedlichster Art von Bedeutung – wobei quantitative Aussagen hierzu nicht zuverlässig gemacht werden können. Laboruntersuchungen sind von Relevanz im Hinblick auf die Diagnosestellung in einer Behandlungssituation – meist als Baustein einer „Mosaik-Diagnostik“ – aber auch im Hinblick auf die Früherkennung vor Manifestation einer Erkrankung, die Erfassung von Krankheitsdispositionen, die Prognostik sowie für die Therapieüberwachung. Die Bedeutung der Labordiagnostik bezieht sich häufig auf die dominierenden Behandlungsanlässe, teils auch auf Umfeld-Aspekte und Nebendiagnosen. In den meisten individuellen klinischen Pfaden sind zuverlässige und gut verfügbare Laborresultate eine wesentliche Determinante der Patientensicherheit.
1 Grundlegende Fächerstrukturen und Arbeitsweise
Humanes Probenmaterial, das vom Patienten (mehr oder weniger weit) räumlich entfernt analysiert wird, ist Gegenstand der In-vitro-Diagnostik (IVD). Das Spektrum der untersuchten Materialien ist sehr weit (Blut, Urin, Liquor, Stuhl, Punktate, Sekretionen, Biopsien, Operationspräparate, Abstriche, Ejakulat, Haare, Speichel, Konkremente, und weitere mehr).
Das Facharzt-Gebiet Laboratoriumsmedizin widmet sich der IVD am breitesten. Das Facharzt-Gebiet Mikrobiologie fokussiert sich auf die Diagnostik von erregerbedingten Erkrankungen. Das Facharztgebiet Pathologie adressiert insbesondere diagnostische Gewebeproben (Operationspräparate, Biopsien), darüber hinaus die makroskopisch-anatomische Diagnostik, d.h. die Durchführung von Obduktionen im Sinne der medizinischen Qualitätssicherung sowie zell-bezogenen Untersuchungen (Zytologie). Gemeinsam ist diesen Fächern (Labormedizin, Mikrobiologie, Pathologie), dass kein direkter Patientenkontakt besteht und nicht unmittelbar behandelt wird (nicht-kurativ, sekundärmedizinisch). Im Mittelpunkt steht der Kontakt zu den behandelnden Ärzten, die die jeweiligen Proben mit diagnostischen Fragestellungen in Labore einsenden. Im Facharzt-Gebiet Transfusionsmedizin steht die Herstellung und Bereitstellung von Blutprodukten und Zelltherapeutika im Mittelpunkt, wobei dies auf der Anwendung von IVD beruht. Im Facharzt-Gebiet der Humangenetik nehmen – neben der IVD – die klinische Diagnostik und die Beratung von Patienten und Ratsuchenden wesentlichen Raum ein. Primär kurative Fächer, in denen – je nach Einrichtung – recht umfangreich komplexe IVD betrieben wird, sind insbesondere die Hämatologie und die klinische Toxikologie (als Teilgebiete der Inneren Medizin). Des Weiteren zu nennen sind die Endokrinologie (als Teilgebiet der Inneren Medizin), die Gynäkologie sowie die Urologie. Die Durchführung von IVD wird hier von der jeweiligen Weiterbildungsordnung adressiert, wobei für die Ermächtigung zu jeweiligen IVD Zusatzqualifikationen nachgewiesen werden müssen. Allgemeine Laboruntersuchungen von begrenzter Komplexität werden in größerem Umfang auch von Allgemeinmedizinern, Pädiatern, Internisten (allgemeinmedizinisch tätige, aber auch teil-spezialisierte wie Rheumatologen und Immunologen), Dermatologen und HNO-Ärzten (v.a. im Bereich der Allergiediagnostik) durchgeführt. Dies erfolgt zum Teil in der eigenen Praxis (Praxislabor), zum Teil aber auch in funktionell ausgegliederten, gemeinsam betriebenen Praxis-Laboren als sog. Laborgemeinschaften. Insbesondere Indikationsstellung und Befundung erfolgt hier durch die Ärzte der genannten Fachdisziplinen. Je nach Einrichtung – insbesondere im universitären Bereich – besitzt IVD auch in der Arbeits- und Umweltmedizin sowie in der klinischen Pharmakologie einen wichtigen Stellenwert. Dies gilt z.T. auch für die Gerichtsmedizin mit der forensischen Toxikologie, die jedoch primär nicht kurativ ausgerichtet ist.
In der komplexen Landschaft der Facharzt-Gebiete (und Zusatzqualifikationen) besitzt das Facharzt-Gebiet Laboratoriumsmedizin eine besondere Rolle, da dieses Gebiet bezüglich IVD generalistisch ausgerichtet ist, indem es z.B. auch Leistungen adressieren kann, die von Fachärzten für Mikrobiologie erbracht werden. Eine nicht unerhebliche Zahl von Ärzten führt zwei Facharztbezeichnungen aus der IVD, v.a. Labormedizin und Mikrobiologie.
Die medizinische Labordiagnostik weist insgesamt einen sehr hohen Automatisierungsgrad auf. Kernelement von medizinischen Laboratorien sind vollautomatisierte Analyzer-Systeme, typischerweise separat für die zugrundeliegenden Untersuchungstechniken Photometrie, Immunoassay, Zellzählung und Koagulometrie. Mit diesen Systemen werden große Zahlen von Standardanalysen bei recht geringer Personalbindung abgearbeitet. Daneben werden kleinere Systeme für seltener angeforderte Untersuchungen verwendet. Des Weiteren werden teil-automatisierte oder rein manuell durchgeführte Verfahren genutzt, wie verschiedene mikroskopische Analysen oder komplexe Verfahren wie beispielsweise chromatographische Analysen zur Bestimmung von Arzneimittelspiegeln. In größeren Laboren sind vielfach umfassende Automationssysteme im Einsatz, die von Probenregistrierung über Prä-Analytik mit Zentrifugation und Aliquotierung, eigentlicher Analytik, bis zur Probenarchivierung eine geschlossene Prozessierung von Proben realisieren. Die Befunderstellung erfolgt großteils IT-gestützt und beinhaltet eine technische und medizinische Validation, einschließlich möglicher textbasierter Befundung für komplexere Verfahren durch ärztliches Personal. Auch in Mikrobiologie und Transfusionsmedizin sind inzwischen hochgradig automatisierte Systeme verfügbar. Wesentliche Aufgabenbereiche von medizinischen Laboren in der ambulanten Versorgung sind auch die Transportlogistik, meist durch eigene Transportdienste, sowie die datentechnische Verbindung mit Einsendern. Die laborärztliche Tätigkeit umfasst insbesondere die Beratung von Einsendern hinsichtlich diagnostischer Verfahren, Strategien und Befundinterpretation, die individuelle Befundung von speziellen Analysen, die laufende Qualitätssicherung, die Schulung und Supervision des Personals und insgesamt die Überwachung und Strukturierung komplexer ineinandergreifender Prozessketten – in der Endverantwortung für valide, wertschöpfende Laborbefunde.
2 Leistungserbringer in der Labordiagnostik
2.1 Ärztinnen und Ärzte
Laut Arztregister der Bundesärztekammer [2] waren Ende 2023 in Deutschland 1.206 Ärztinnen und Ärzte für Laboratoriumsmedizin tätig sowie 845 Ärztinnen und Ärzte für Mikrobiologie (Tabelle 1 [Tab. 1]). Das entspricht zusammen ca. 0,7% aller berufstätigen Fachärzte bzw. 0,5% aller berufstätigen Ärztinnen und Ärzte. Gegenüber 2010 hat die Zahl um ca. 23% zugenommen gegenüber einer Zunahme der Zahl aller Ärztinnen und Ärzte von ca. 28% in diesem Zeitraum. Der Frauenanteil in Labormedizin und Mikrobiologie liegt bei ca. 44% gegenüber ca. 50% im Gesamtkollektiv der Fachärzte. Etwa 33% dieser Fachärztinnen und Fachärzte sind älter als 60 Jahre gegenüber einem entsprechenden Anteil von 23% in der gesamten deutschen Fachärzteschaft.
Tabelle 1: Zahl berufstätiger Ärztinnen und Ärzte. Auszug aus den Arztregistern der Bundesärztekammer [1], jeweils zum Jahresende 2010 bzw. 2023
Am 31.12.2023 nahmen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) 153.726 Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teil [3]. Darunter waren in der Fachgruppe „Laboratoriumsmedizin/Biochemie/Mikrobiologie“ 1.378 Personen; 120 mit Zulassung als Vertragsarzt, 1.118 angestellt in MVZs, 51 angestellt in freier Praxis. 77 Ärzte hatten eine fachgebundene Zusatzweiterbildung Labordiagnostik.
Nach dem KBV-Qualitätsbericht 2023 [4] hatten 10.426 Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen eine Genehmigung zur Durchführung von Untersuchungen im Bereich des Spezial-Labors (beispielsweise Gynäkologinnen zur Durchführung von Hormonanalysen) entsprechend der Qualitätssicherungsvereinbarung Speziallabor [5] nach § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V.
Die Zahl der Ärzte in Weiterbildung in den labordiagnostischen Fächern ist nicht bekannt. Es liegen auch keine Zahlen zu nicht-ärztlichen Akademikern, die in medizinischen Labors tätig sind, vor.
2.2 Nicht-wissenschaftliches Personal
Laut Statistischem Bundesamt ([6], Suchbegriff: Gesundheitspersonalberechnung, 23621, 23621-0003 (Gesundheitspersonal: Deutschland, Jahre, Beschäftigungsverhältnis, Altersgruppen, Berufe im Gesundheitswesen; verfügbarer Zeitraum 2012–2022); 23621-0008 (Gesundheitspersonal (Vollzeitäquivalente): Deutschland, Jahre, Altersgruppen, Berufe im Gesundheitswesen)) wurden 2022 in medizinischen Laboratorien insgesamt 77.000 Vollzeitäquivalente verzeichnet, davon 50.000 Fachkräfte (71%); 2.000 Vollzeitäquivalente werden als Spezialisten geführt. In medizinischen Laboren sind neben den Fachkräften Medizinisch-technische Assistenten (MTA)/Medizinische Technologen für Laboratoriumsanalytik (MTL) auch Arbeitskräfte ohne eine spezifische labordiagnostische Qualifikation tätig, z.B. im Sekretariatsbereich, in der Transportlogistik oder für Tätigkeiten in der Probenentgegennahme. Damit waren ca. 2% der Vollzeitäquivalente des gesamten Gesundheitspersonals in Deutschland im medizinischen Labor tätig.
Gegenüber 2012 ist ein Anstieg der Gesamt-Vollzeitäquivalentzahl um 4% zu verzeichnen, während die Zahl der Fachkräfte um 6% abgenommen hat.
Die Gesamtzahl der in medizinischen Laboratorien beschäftigten Personen lag 2012 bei 98.000 (2% des gesamten Gesundheitspersonals), darunter 69.000 Fachkräfte; 2022 lag die Gesamtzahl bei 108.000 (1,8% des gesamten Gesundheitspersonals), darunter 72.000 Fachkräfte. Der Anteil der im medizinischen Labor in Vollzeit beschäftigten Fachkräfte sank von 2012 bis 2022 von 55% auf 47%, absolut von 38.000 auf 34.000 Personen [6].
In Krankenhäusern waren 2012 21.000 Fachkräfte in medizinischen Laboratorien tätig, 2022 lag die Zahl bei 15.000 (Abnahme um 29%) [6].
Das Gesetz über die Berufe in der medizinischen Technologie (MT-Berufe-Gesetz – MTBG) regelt, wer im Rahmen der Heilkunde dazu berechtigt ist, Laboruntersuchungen durchzuführen. Primär sind das anerkannte Medizinische Technologinnen und Technologen für Laboratoriumsanalytik (MTL) bezogen auf die sog. vorbehaltenen Tätigkeiten (§ 5), d.h. die Durchführung biomedizinischer Analyseprozesse mittels biologischer, chemischer sowie physikalischer Methoden und Verfahren einschließlich Plausibilitätskontrolle, Validierung und Qualitätssicherung. Nicht zu den vorbehaltenen Tätigkeiten zählen einfach zu handhabende quantitative und qualitative Laboranalysen.
Ausnahmen bezüglich der vorbehaltenen Tätigkeiten gelten für Personen, die aufgrund einer abgeschlossenen Hochschulausbildung über die erforderlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Ausübung der genannten Tätigkeiten verfügen, sowie Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker. Eine wachsende Bedeutung kommt dabei Personen mit Bachelor-Abschlüssen aus biotechnologischen Fachrichtungen zu. Personen mit einer abgeschlossenen sonstigen medizinischen Ausbildung, die unter Aufsicht und Verantwortung einer im vorhergehenden Satz genannten Personen tätig werden, können ebenfalls zur Durchführung vorbehaltener Tätigkeiten autorisiert werden. So kann beispielsweise eine Medizinische Fachangestellte oder ein Gesundheitspfleger Laboruntersuchungen unter Aufsicht und Verantwortung eines Arztes durchführen. Ein Lebensmittelchemiker ist berechtigt, beispielweise chromatographische Untersuchungen im Speziallabor durchführen, da diese Art von Analytik im Studium adressiert wird. Für den Arzt sind Laborleistungen und auch unterstützende Maßnahmen wie die Blutentnahme grundsätzlich delegationsfähig (was insbesondere im Fall von Point-of-Care-Testing (POCT) relevant ist). Die Indikationsstellung für Untersuchungen, die Diagnosestellung sowie die Aufklärung und Beratung von Patienten einschließlich Anamneseerhebung stellen dagegen – auch in der Labordiagnostik – nicht delegierbare Leistungen des Arztes dar. Das Arztprivileg für die Erstellung gültiger medizinischer Laborbefunde wird außer in Deutschland nur in wenigen Staaten angetroffen.
Während der Routinearbeitszeiten, in Gegenwart und unter Supervision durch ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, arbeiten in medizinischen Laboratorien zunehmend – entsprechend der o.g. Vorgaben – Medizinische Fachangestellte, während in Kliniken in den Nachtstunden – ohne Anwesenheit eines verantwortlichen Arztes – nur MTL tätig sein dürfen. Um MTL – als Mangelberuf – besteht eine zunehmende Kompetition zwischen Laborpraxen und Kliniklaboren. In Kliniklaboren bestehen typischerweise höhere Belastungen durch Schichttätigkeiten und Nachtdienste bei allerdings tendenziell besserer Bezahlung als im ambulanten Labordiagnostikbereich.
3 Sektoren der Versorgung
3.1 Kliniken
Der Statistische Bericht Grunddaten Krankenhäuser 2022 ([7], Tabelle 23111-30) weist insgesamt 1.893 Krankenhäuser aus, von denen 1.128 mindestens eine nicht bettenführende Fachabteilung aufweisen. In 331 Häusern war eine Fachabteilung Laboratoriumsmedizin vorhanden (17%), in 91 eine Fachabteilung für Transfusionsmedizin. Fachabteilungen für Pathologie waren in 147 Krankenhäusern verzeichnet sowie 714 Fachabteilungen für Radiologie. Wie viele der Fachabteilungen für Laboratoriumsmedizin mit Fachärzten für Laboratoriumsmedizin besetzt sind, geht aus der Statistik nicht hervor.
Unter den 613 Krankenhäusern mit weniger als 300 Betten hatten 15% eine Fachabteilung für Laboratoriumsmedizin, bei den Häusern zwischen 300 und 599 Betten 36%, und für die Häuser über 600 Betten wurden 117 Fachabteilungen angegeben, was einem Anteil von 67% entspricht. Da der Betrieb von solchen Großkliniken ohne umfangreiche Laborversorgung nicht vorstellbar ist, demonstrieren diese Daten, dass in vielen großen Kliniken das jeweilige Labor extern und nicht in Eigenverantwortung betrieben wird und somit sektorübergreifende Versorgungformen bestehen, also die Versorgung des Klinikbetriebs durch Labors im niedergelassenen Bereich ergänzt durch Verfahren den patientennahen Sofortdiagnostik (POCT).
Die Qualitätsstruktur-Richtlinien des G-BA fordern für eine größere Zahl von Leistungen in Kliniken die ständige Verfügbarkeit von Laborärzten, u.a. für Perinatalzentren höherer Kategorien sowie im Hinblick auf die Abrechnung der Intensivpauschale.
3.2 Ambulanter Sektor
Die ambulante labordiagnostische Versorgung wird überwiegend von fachärztlichen Einsendelaboren gewährleistet. In diesen Laborpraxen sind in aller Regel mehrere Kolleginnen und Kollegen tätig (oft 5–10), häufig auch Laborärzte und Mikrobiologen gemeinsam, z.T. auch Pathologen, Genetiker, Transfusionsmediziner, oft als Medizinisches Versorgungszentrum konstituiert (MVZ). In gewissem, meist geringem Umfang haben diese Praxen Patientenverkehr zur Probenentnahme – zugewiesen u.a. von Fachärzten, die keine Blutentnahme-Logistik vorhalten. Neben sog. inhabergeführten medizinischen Laboren ist mittlerweile der Großteil der Laborpraxen bzw. MVZ in unterschiedlichen Rechtsformen vernetzt, regional, überregional und auch international. In Laboren gewerblicher Laboranbieter sind die ärztlichen Mitarbeiter – auf Kassenarztsitzen – angestellt tätig, entsprechen den Beschäftigungsverhältnissen in Kliniken. Typische Labor-MVZ versorgen heute viele hundert Praxen und auch oft zahlreiche Kliniken. Entsprechend ist die Probentransportlogistik von zentraler Bedeutung. Der Fahrdienst ist entweder eine eigene Funktionseinheit dieser Praxen oder wird durch externe Dienstleister betrieben.
Neben fachärztlichen Laborpraxen existieren auch sog. Laborgemeinschaften – als ausgelagerte, von mehreren Ärzten gemeinsam von MTL betriebene Praxislabore. Entsprechende Konstrukte – bei denen die Teilhaber der Laborgemeinschaft die ärztliche Verantwortung für Durchführung und Befunderstellung von Basisparametern tragen – sind oft funktionell in Facharztlabore integriert, einschließlich der Transportlogistik.
Laut einer Veröffentlichung des Beratungsunternehmens Aktiva von 2020 [8] lag der Anteil der gewerblichen Laboranbieter-Ketten bei 55% des Gesamtumsatzes, der mit 10,7 Mrd. Euro angegeben wird. Darunter entfielen 14% auf Sonic Healthcare/Bioscientia, 12% auf Synlab, 11% auf die Limbach-Gruppe und 8% auf amedes. Die global größten Labordiagnostikkonzerne sind in Deutschland bislang nicht aktiv (insbesondere Quest Diagnostics und Laboratory Corporation of America (Labcorp)).
Laborärzte unterliegen im Hinblick auf eine Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung der Bedarfsplanung [9]. Das Fach wird dabei der „gesonderten fachärztlichen Versorgung“ zugerechnet, bei der das Gebiet der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung als Planungsgebiet gilt (also im Wesentlichen die Bundesländer). In allen Planungsgebieten wird derzeit eine Versorgung über 100% festgestellt, d.h. es besteht de-facto eine Niederlassungssperre [10]. Der (jährlich neu kalkulierten) Bedarfsplanung liegt die Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA zugrunde (gesonderte fachärztliche Versorgung), die u.a. unter Berücksichtigung der Morbidität die Verhältniszahlen zwischen Einwohnern und Fachärzten einer jeweiligen Disziplin aufführt. Dabei ergibt sich, dass ein Laborarzt im Mittel für die labordiagnostische Versorgung von 92.218 Menschen erforderlich ist [11].
Sehr viele Praxen der unterschiedlichsten Fachdisziplinen betreiben Praxislabore, in denen – neben Blutentnahme und prä-analytischer Versorgung der Proben – unterschiedliche Laboruntersuchungen mit teils weitem Spektrum durchgeführt werden (POCT, Point-of-Care-Testing). Typische Verfahren sind die Glucosemessung, die Blutsenkung, Urin-Streifentest, daneben ein wachsendes Spektrum an quantitativen Einzelproben-Messverfahren, z.B. für Infarktmarker (Troponin), D-Dimer, BNP, CRP, und ein Marcumar-Monitoring. Auch für speziellere Untersuchungen wie etwa die Messung von HbA1c sind in zunehmenden Umfang Systeme verfügbar, die für eine Anwendung im Praxislabor vorgesehen sind. In MVZs mit mehreren Disziplinen werden z.T. auch automatisierte Mehrkanal-Analysensysteme eingesetzt, u.a. im Bereich von Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Damit hat das Praxislabor einen insgesamt recht großen Anteil an der Laborversorgung in Deutschland. Tendenziell wird dieser Bereich als wachsend angesehen, wobei keine objektiven Daten hierfür verfügbar sind. Hinsichtlich der Untersuchungen, die bei laborärztlichen Kollegen in Auftrag gegeben werden, arbeitet eine Facharztpraxis in aller Regel mit nur einer Laborpraxis zusammen. Diese stellen die Transportlogistik (inklusive Bereitstellung der Entnahmematerialien) sowie die elektronische Befundrückführung sicher. Die Schnittstellen der Datenfernübermittlung zu den Praxissoftware-Systemen sind hierbei ein wichtiges Element.
4 Leistungsumfang
Unmittelbare Daten zur Gesamtzahl der jährlich in Deutschland durchgeführten Laboruntersuchungen sind nicht öffentlich verfügbar. Laut BDL (Berufsverband Deutscher Laborärzte e.V.) werden täglich in Deutschland etwa 9 Millionen Laborbefunde erstellt.
Das Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung gibt für das 1. Quartal 2023 [12] eine Zahl von insgesamt 577.634.988 Behandlungsfällen an, darunter 76.995.362 Fälle für Laboratoriumsmediziner, wobei die Zahl der Analysen pro Fall nicht angegeben wird.
Das Wissenschaftliche Institut der AOK [13] gibt für 2022 als Auswertung der Frequenzstatistik des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (GKV) die Zahl abgerechneter Leistungen aus dem Labor-Abschnitt Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) mit 1,49 Mrd. an (Kapitel 32.01, Grundleistungen 439 Mio.; Kapitel 32.02 838 Mio.; Kapitel 32.03, Spezielle Untersuchungen, 211 Mio.). Für das Jahr 2017 wird eine Zahl von 1,58 Mrd. angegeben [14]. Diese Zahlen beziehen sich nur auf ambulante Leistungen für gesetzlich Versicherte; für den stationären Sektor liegen keine Zahlen vor.
In dieser Auswertung des wissenschaftlichen Instituts der AOK [13] werden auch für die unterschiedlichen Arztgruppen die jeweils 20 häufigsten Abrechnungspositionen angegeben. Für den Bereich Laboratoriumsmedizin machten diese 20 Positionen 2022 kumuliert 73% aller Untersuchungen aus. Darunter sind 22,4 Mio. Analysen Mechanisiertes Blutbild (Position 1), 15,8 Mio. TSH-Bestimmungen (Position 6), und 12,3 Mio. HbA1c-Messungen (Position 12). Aus dem Bericht geht auch orientierend hervor, in welchem Umfang Fachdisziplinen außerhalb der Labormedizin labordiagnostische Leistungen erbringen. So führten zum Beispiel Nuklearmediziner 517.000 TSH-Messungen und 129.000 Vitamin D-Messungen durch.
Der Barmer Arztreport 2023 [15] listet u.a. den prozentualen Anteil von betroffenen ambulanten Abrechnungsfällen nach Fachdisziplinen auf. Demnach waren 2022 50,7% der Versicherten von Leistungen der Labormedizin betroffen. Gegenüber 2021 wurde ein Anstieg um 5,8% beobachtet. Die Kosten pro Person lagen hier im Mittel bei 35 Euro pro Jahr.
Leistungen, die von Nicht-Laborärzten in Laborgemeinschaften – als räumlich ausgelagerte Praxislabore – veranlasst und vergütet werden können, umfassen ca. 40 Parameter, die als erweiterte Basisdiagnostik bezeichnet werden können – darunter z.B. auch HbA1c, TSH und Immunglobuline. Dieses leicht verfügbare Routinespektrum bildet eine sehr leistungsstarke Basis für das kurativ-diagnostische Work-up von Patienten in Deutschland.
Folgende Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen als Vorsorgeuntersuchungen übernommen: Frauen und Männer ab 35 alle 3 Jahre: Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyzeride, Serum Glukose; Harnstreifentest: Eiweiß, Glukose, Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit sowie ein einmaliges Screening auf Hepatis B und C. Weitere Vorsorgeuntersuchungen werden in der G-BA-Richtlinie zur Empfängnisregelung und im Mutterschutzgesetz festgelegt. Daneben wurden insbesondere im Rahmen der Betreuung von Schwangeren durch verschiedene Krankenkassen Rahmenverträge über besondere Vorsorgeleitungen abgeschlossen. Ein Beispiel ist der Rahmenvertrag „Hallo Baby“ zur besonderen Versorgung gemäß § 140a SGB V zur Vermeidung von Frühgeburten und infektionsbedingten Geburtskomplikationen.
5 Kosten der Labordiagnostik
Die Gesundheitskostenberechnung des Statistischen Bundesamtes [16] gibt für 2022 Ausgaben für Laborleistungen von insgesamt 12,9 Mrd. Euro an, was 2,6% der gesamten Gesundheitsausgaben ausmacht (Tabelle 2 [Tab. 2]). Pro Kopf liegen damit die Ausgaben für Labordiagnostik bei etwa 150 Euro pro Jahr. Es ist ein Zuwachs der Ausgaben für Laborleistungen von 2012 bis 2022 um 4,5 Mrd. Euro festzustellen. Dies entspricht einer Zunahme um 55%, gegenüber einer Zunahme um 63% aller Gesundheitsausgaben in diesem 10-Jahres-Zeitraum. Die inflationsbedingte Preissteigerung insgesamt lag in Deutschland für diesen Zeitraum bei ca. 15%.
Tabelle 2: Gesundheitsausgabenrechnung in Mrd. Euro laut Statistischem Bundesamt, Destatis [16] (Abfrage 20.09.2024)
2022 waren die gesetzlichen Krankenversicherungen Ausgabenträger von 65% der Ausgaben für Laborleistungen, die privaten Krankenversicherungen von 19%.
Zur Gesundheitsausgabenrechnung und zur Gesundheitspersonalrechnung durch das Statistische Bundesamt legt dieses jeweils umfassende Qualitätsberichte vor [17], [18]. Rechtsgrundlage für die Erfassung ist die Verordnung (EG) Nr. 1338/2008 zu Gemeinschaftsstatistiken über öffentliche Gesundheit und über Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.
6 Vergütung von Laborleistungen
Kliniken – In Kliniken erfolgt die Finanzierung des Laborbetriebs nicht Einzeluntersuchungs-bezogen. Die Kliniken erhalten im Wesentlichen Fallpauschalen für behandelte Patienten auf Basis des jeweiligen Diagnose-Profils innerhalb des DRG-Systems (Disease-Related-Groups). Hieraus ergibt sich ein finanzielles Gesamtvolumen, aus dem alle Funktionseinheiten einer Klinik – einschließlich des Labors – zu betreiben sind.
Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK; https://www.g-drg.de) definiert, welche medizinischen Leistungen in die Berechnung der DRG einfließen. Laborleistungen werden dabei als Teil der Gesamtkosten für die Behandlung berücksichtigt, aber nicht als eigener Anteil aufgeschlüsselt. Die Verteilung der Erlöse, die durch DRG-Fallpauschalen generiert werden, erfolgt intern im Krankenhaus und ist von den jeweiligen Verhandlungen, Budgets und Strukturen des Krankenhauses abhängig.
Eine innerbetriebliche Kostenrechnung ist in Klinken in sehr unterschiedlichem Umfang etabliert. Im Prinzip kann über die gesamthafte Bestimmung der Ausgaben eines Klinik-Labors und auf Grundlage eines Relativ-Schlüssels für die unterschiedlichen Untersuchungsverfahren (i.a. auf Grundlage der Punktregeln der Gebührenordnung für Ärzte, GOÄ) ermittelt werden, in welchem Umfang einzelne Abteilungen einer Klinik Laborkosten generieren – im Sinne einer internen Leistungsverrechnung. Typischerweise liegt der Anteil der Aufwendungen einer Klinik für Laboruntersuchungen um ca. 2%.
Bei Patienten, die in Ambulanzen und Polikliniken von Universitätskliniken behandelt werden, erfolgt bei gesetzlich versicherten Patienten in der Regel auch eine pauschalierte Vergütung der Klinik (Poliklinik-Pauschalen).
Niedergelassene Laborärzte berechnen als (ggf. angestellt beschäftigte) Vertragsärzte ihre Leistungen den gesetzlichen Krankenkassen gegenüber gemäß dem EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab); die Rechnungsstellung an privat versicherte Patienten erfolgt auf Grundlage der GOÄ. In beiden Gebührenordnungen sind den einzelnen Leistungen dezidierte Abrechnungsbeträge zugeordnet [19], [20]; im Fall der GOÄ sind aktuell nicht alle Leistungen aufgeführt, weswegen z.T. mit sog. Analogziffern gearbeitet werden muss. Der EBM wird im Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung erstellt, während die GOÄ eine staatliche Gebührenordnung darstellt.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind auf Länderebene organisiert und tragen den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten (ca. 87% der Bevölkerung [21], 74.3 Mio. Versicherte). Die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen verteilen die Gelder der gesetzlichen Krankenkassen nach einem komplexen System als Honorare an die Vertragsärzte.
Der für gesetzlich Versicherte relevante EBM wird vom Bewertungsausschuss beschlossen und laufend aktualisiert, u.a. im Hinblick auf neue Leistungen (https://institut-ba.de). Dem Bewertungsausschuss gehören jeweils drei von der KBV und vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) benannte Mitglieder an.
Die Aufteilung der Gesamtvergütung der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch das Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), geregelt. Grundsätzlich wird zwischen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und der Vergütung für extrabudgetären Leistungen unterschieden. Der MGV-Teil der von den Kassen gezahlten Vergütung wird in verschiedene Versorgungsbereiche und Grundbeträge aufgeteilt. Die Aufteilung wird durch die Honorarverteilungsmaßstäbe (HVM) der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen geregelt.
Die wichtigsten Versorgungsbereiche sind: Hausärztlicher Versorgungsbereich, Fachärztlicher Versorgungsbereich, Grundbetrag Labor. Zusätzlich gibt es weitere Honorarvolumina für die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst, der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen und Strukturverträge.
Aus dem Grundbetrag Labor werden der Wirtschaftlichkeitsbonus (s.u.) und die veranlassten Laborleistungen vergütet. Das sind die auf dem Muster-10-Formular an das Facharztlabor überwiesenen Leistungen.
Die laborärztlichen Grundpauschalen werden aus dem Honorarvolumen des fachärztlichen Versorgungsbereichs vergütet – das eigentliche laborärztliche Honorar pro Behandlungsfall (Ziffern 12220 und 01700); alle anderen Ziffern dienen der Vergütung von spezifizierten technischen Leistungen eines Behandlungsfalls.
Eigenerbrachte Laborleistungen und Laborgemeinschaftsleistungen (d.h. Überweisungen auf Muster 10c) werden entsprechend der Zuordnung des erbringenden Arztes zum jeweiligen Versorgungsbereich aus dem haus- und fachärztlichen Grundbetrag vergütet. Laborleistungen im organisierten Notdienst werden dem Honorarvolumen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zugeordnet.
Aus der Vergütung für extrabudgetäre Leistungen werden alle präventiven Laborleistungen (z.B. Mutterschutz, Checkup, Tumorvorsorge, Transplantationsnachsorge) und besonders spezialisierte Laborleistungen vergütet. Teilweise werden neuartige Laborleistungen auch für einen bestimmten Zeitraum extrabudgetär vergütet und dann in die MGV überführt. Leistungen aus dem extrabudgetären Vergütungsbereich werden nicht quotiert.
Für die Bearbeitung eines Untersuchungsauftrags erhält der Laborarzt zunächst eine laborärztliche Grundpauschale (EBM-Ziffer 32001), unabhängig vom Umfang des jeweiligen Anforderungsprofils, das dann durch weitere EBM-Ziffern abgebildet wird, sowie weiteren Pauschalen (z.B. Transport). Pro Facharzt wird für die ersten 6.000 Fälle pro Quartal die volle Grundpauschale vergütet (Ziffer 12220 mit 14 EBM-Punkten); für die nächsten 6.000 Fälle werden 4 Punkte berechnet und für alle weiteren 1 Punkt (sog. Abstaffelung). Die Grundpauschale unterliegt einem durch die jährlich angepassten Punktwerte reguliertem Inflationsausgleich. Für die Vergütung der technischen Leistungen wurden Festpreise bestimmt, die keinem regelmäßigen Inflationsausgleich unterliegen.
Zusätzlich darf die Vergütung aller Laborleistungen quotiert werden, wenn das Volumen des für den jeweiligen Krankenversicherungsbereich festgelegten Grundbetrags nicht ausreicht. Hier ist aktuell eine Untergrenze von 89% festgelegt. Die Quotierung der Grundpauschalen und des Wirtschaftlichkeitsbonus ist in den Honorarverteilungsmaßstäben der einzelnen Krankenversicherungen (KV) unterschiedlich geregelt.
Ende 2023 hat der Bewertungsausschuss festgelegt, dass ab Anfang 2025 neue Kostenpauschalen in den EBM aufgenommen werden, mit denen der Transport der Proben, die kostenfreie Bereitstellung des Entnahmematerials sowie die Technik zur elektronischen Auftragserteilung spezifisch vergütet werden. Zur Gegenfinanzierung wird die Vergütung von Laborleistungen prozentual reduziert; diese Laborvergütungsreform – die im Rahmen der Selbstverwaltung des Gesundheitssystems und nicht durch staatliche Vorgaben festgelegt wurde – wird vonseiten der niedergelassenen Laborärzte heftig kritisiert, da sie insgesamt eine finanzielle Schlechterstellung ab 2025 erwarten.
Der quartalsweise KBV-Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung – der Durchschnittswerte für das persönliche Einkommen von Ärzten der unterschiedlichen Disziplinen offenlegt – berücksichtigt die Laborärzte (als eine von wenigen Arztgruppen) nicht.
Aus Perspektive der niedergelassenen Fachärzte außerhalb der Labormedizin lässt sich das Prinzip der Vergütung von Laborleistungen – unter Berücksichtigung des sog. Wirtschaftlichkeitsbonus/Laborbonus – wie folgt beschreiben: Für einen Allgemeinmediziner gilt: Er bekommt pro Quartal und pro Patient einen Laborbonus von 2,19 € (bei 1.000 Patienten 2.190 €). Wenn er im Quartal <1,60 € pro Patient (gesamthaft) für Labor aufwendet, bekommt er diese 2,19 € Wirtschaftlichkeitsbonus vollumfänglich. Wenn er über 3,80 € für Labor aufwendet, bekommt er keinen Bonus mehr. Liegt er zwischen 1,60 und 3,80 €, wird der ausgezahlte Laborbonus immer geringer. Liegen die gesamthaften Laborkosten im Quartal bei >3,8 pro Patient (also über 3.800 € für 1.000 Patienten), werden die Laborleistungen einzelfallbezogen nach EBM vergütet, also z.B. für eine POCT-Messung. Ca. 50% der Allgemeinmediziner liegen über 3,80 €, bekommen also keinen Laborbonus. Als Laborleistungen im Hinblick auf den Laborbonus zählen alle Leistungen: die in der Praxis erbrachten, die in einer Laborgemeinschaft erbrachten sowie die bei einem Laborfacharzt veranlassten Leistungen. Aus dem Laborbudget bezüglich Laborbonus herausgerechnet werden Laborleistungen, die durch eine sog. Befreiungsziffer gekennzeichnet sind. Bei der Diagnose Diabetes beispielsweise betrifft das HbA1c, Kreatinin und den Mikroalbuminurie-Test. Für andere Facharztgruppen gelten für die Obergrenze im Hinblick auf den Laborbonus andere Grenzen, beispielsweise für Endokrinologen und Gynäkologen deutlich höhere. Werden die Grenzen pro Quartal jeweils überschritten und wird keine Laborbonus mehr ausgezahlt, ist die Höhe der Laborkosten für den jeweiligen Arzt nicht mehr von Belang; es erfolgt keine Sanktionierung. Allerdings werden alle Kosten grundsätzlich insgesamt auf alle Ärzte einer Kassenärztlichen Vereinigung umgelegt, was bei der Verteilung der Honorare einer Budgetierung unterliegt. Das jährliche Volumen des Wirtschaftlichkeitsbonus – der nicht für die Erbringung von Laborleistungen, sondern als Steuerungselement ausgegeben wird – liegt bei ca. 450 Millionen Euro.
7 Qualitätssicherung und Qualitätsdarlegung
Eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung von Laboruntersuchungen in Deutschland nimmt die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen ein, im Laboralltag meist als Rili-BÄK bezeichnet. Als Kammer-Richtlinie ist sie berufsrechtlich als verbindlich zu betrachten.
Die Medizinproduktebetreiberverordnung wird vom Bundesministerium für Gesundheit erlassen und gibt die Pflichten für Anwender von Diagnostika vor; sie fordert in § 9 die Etablierung eines Qualitätssicherungssystems für die Anwendung von In-vitro-Diagnostika als Medizinprodukt und für die Durchführung aller Laboruntersuchungen in der Heilkunde; dies wird bei Einhaltung der Rili-BÄK als gegeben angesehen. Die Rili-BÄK macht auch Vorgaben für die Ausrichter von Ringversuchen als Element der externen Qualitätssicherung. Für die medizinprodukterechtliche Überwachung als Vollzug der Medizinproduktebetreiberverordnung sind die jeweiligen Obersten Landesbehörden der Bundesländer zuständig. Diese stehen über die AGMP (Arbeitsgemeinschaft Medizinprodukte) des ZLG (Zentralinstitut der Länder für den Gesundheitsschutz) untereinander in Verbindung (https://www.zlg.de). Welcher Landesbehörde der Vollzug der Medizinproduktebetreiberverordnung zugeordnet wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich (in Bayern beispielsweise ist das Landesamt für Maß und Gewicht zuständig, in Baden-Württemberg das Eich- und Beschusswesen).
Ärztliche Tätigkeit unterliegt in Deutschland keiner staatlichen Überwachung. Die Selbstverwaltung der ärztlichen Berufsausübung obliegt den Landesärztekammern.
Im Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung erfolgt derzeit die Überwachung der Labordiagnostik im Wesentlichen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen.
Im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung besteht eine Vereinbarung zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) über Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Erbringung von speziellen Untersuchungen der Laboratoriumsmedizin (Qualitätssicherungsvereinbarung Spezial-Labor, [4], [5] nach § 135 Abs. 2 SGB V, als Anlage 3 des Bundesmantelvertrags); hierin wird insbesondere die Überprüfung der internen und externen Qualitätssicherungsmaßnahmen im ambulanten Versorgungsbereich durch die Kassenärztlichen Vereinigungen der Kammerbezirke geregelt. Außerdem werden Erbringer von Laborleistungen stichprobenweise in Hinblick auf die Rili-BÄK überprüft. In 2022 wurden 1.370 Stichproben- und Dokumentationsprüfungen vorgenommen. Verantwortlich sind die jeweiligen Laborkommissionen der KVen.
Speziellere Laborleistungen (Kapitel 32) gehören zu den genehmigungspflichtigen Leistungen; entsprechend müssen Ärzte, die diese Leistungen erbringen (z.B. Gynäkologen bei der Hormonanalytik), der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen spezifische Qualifikationen gesondert nachweisen bzw. eine Prüfung ablegen.
Über die Rili-BÄK hinaus ist für medizinische Labore auch die allgemeine Qualitätsmanagement-Richtlinie des G-BA im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen bindend; ihre Einhaltung wird vom Medizinischen Dienst überwacht. Eine Qualitätssicherungsrichtlinie des G-BA für medizinische Laboruntersuchungen existiert bislang nicht.
Eine aktive, freiwillige Qualitätsdarlegung von medizinischen Laboren erfolgt überwiegend durch eine Akkreditierung nach der Norm DIN EN ISO 15189 durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS). Im eigentlichen Sinn ist EU-rechtlich eine Akkreditierung von Laboratorien vorgesehen, die Konformitätsbewertungsverfahren durchführen – etwa im Hygienebereich – während die laborärztliche Diagnostik als diagnostische ärztliche Tätigkeit überwiegend nicht als Konformitätsbewertung zu betrachten ist. Dennoch ist die Akkreditierung nach ISO 15189 inzwischen sehr weit verbreitet und im Bereich der niedergelassenen Labore praktisch flächendeckend realisiert. Falls eine Akkreditierung besteht, werden Labore nicht von den Kassenärztlichen Vereinigungen hinsichtlich Qualitätssicherung überprüft. Mit Stand 2024 führt die DAkkS ca. 450 Akkreditierungsurkunden für medizinische Laboratorien. Bei der Akkreditierung handelt es sich um ein freiwilliges Verfahren, dessen Durchführung dann jedoch behördlich erfolgt. Hierbei findet eine gesetzliche Gebührenordnung Anwendung. Für die Akkreditierung werden Fachbegutachter aus der Labordiagnostik freiberuflich tätig. Das Gendiagnostik-Gesetz fordert bei Vaterschaftsuntersuchungen eine Akkreditierung. Für einzelne Bereiche wie das Neugeborenen-Screening ist die Akkreditierung nach ISO 15189 außerdem Abrechnungsvoraussetzung. Eine Zertifizierung von Laboratorien nach der allgemeinen Management-Norm ISO 9001 ist nicht weit verbreitet; solche Zertifizierungen sind explizit nicht fachlich ausgerichtet, stellen ggf. also keine Fachzertifizierung dar.
Das Inverkehrbringen von In-vitro-Diagnostika (Geräte, Reagenzien, Kontrollmaterialien etc.) ist auf EU-Ebene durch die IVD-Regulation (IVDR; Verordnung (EU) 2017/746) geregelt. Dies erfolgt differenziert nach vier definierten Risikoklassen. Für die meisten der in Verkehr gebrachten Produkte muss die Erfüllung allgemeiner Leistungs- und Sicherheitsanforderungen nach IVDR unabhängig durch Benannte Stellen festgestellt werden (IVD-CE-Zertifizierung). Bei den Benannten Stellen handelt es sich um privatwirtschaftliche Dienstleister, die in den EU-Mitgliedsstaaten unter staatlicher Überwachung stehen. Die IVDR adressiert auch IVD-Artikel, die von Laboren ausschließlich für den eigenen Gebrauch hergestellt werden, nicht jedoch die Durchführung von Untersuchungsverfahren, die auf Ebene der EU-Mitgliedsstaaten zu regulieren sind.
Die Anerkennung als Arzt und die ärztliche Approbation – als Voraussetzung für die Facharztweiterbildung – erfolgt staatlicherseits (Landesprüfungsämter, Regierungspräsidien o.ä.). Hinsichtlich der Kompetenz von Ärzten, die in der Labordiagnostik tätig sind, beruht die Qualitätssicherung primär im Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung auf den Verfahren der Facharzt-Anerkennung. Sie basiert auf den Weiterbildungsordnungen und den Prüfungsverfahren der Landesärztekammern. Die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern gehen von einer Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer aus. Die Weiterbildungsordnung ist kompetenzbasiert angelegt.
Für Ärzte, die in der Versorgung gesetzlich Versicherter tätig sind, ist – nach Erwerb der Facharztanerkennung – eine kontinuierliche Fortbildung (CME, continued medical education) nach § 95d SGB V vorgeschrieben. Es werden allgemeine bzw. fachbezogene Inhalte adressiert. Eine periodische Überprüfung der Facharztkompetenz durch die Ärztekammern im Sinne von Wiederholungsprüfungen erfolgt in Deutschland nicht.
8 IVD-Industrie
Weltweit bieten fünf Hersteller umfassende Gesamtlösungen für hoch-automatisierte Großlabore auf dem globalen Markt an (Roche, Siemens, Abbott, Beckman, Ortho Clinical Diagnostics). Große chinesische Hersteller treten zunehmend auch international in Erscheinung (z.B. Mindray). Umfassende Systemlösungen beinhalten die als „klinisch-chemisch“ bezeichneten Photometrie- und Elektrochemie-Module sowie Immunoassay-Module. Umfassende Automationslösungen für die Probenvorbereitung und Archivierung sind inzwischen von mehreren Anbietern auch in zusammenhängenden, modular aufgebauten Gesamtautomationskonfigurationen verfügbar (LAS, Laboratory Automation Systems). Diese Konfigurationen sind frei skalierbar. Module für Hämatologie/Zellzählung und die Gerinnungsanalytik können ebenfalls eingebunden werden. Gesamtlösungen können entweder von Einzelanbietern bereitgestellt werden oder modular aus Geräten unterschiedlicher Hersteller konfiguriert werden. Als Einzelsysteme sind die genannten Module für kleinere Labore – insbesondere in Kliniken – ebenfalls verfügbar. Eine Reihe von Herstellern bieten primäre Stand-alone-Geräte für speziellere Analysenspektren und Techniken an (z.B. Diasorin, IDS, Werfen, Sysmex, Sebia, Tosoh; Immnoassays, Elektrophorese-Systeme, HPLC-Systeme); teilweise können auch diese Systeme in ein LAS eingebaut werden. In der dezidierten Spezialanalytik besteht eine komplexere Anbieter-Situation kleiner und mittlerer Hersteller (z.B. Chromsystems und Recipe in der Chromatographie, Tecan bei speziellen Immunoassays).
In Deutschland erfolgt in bedeutendem Umfang auch die Produktion von In-Vitro-Diagnostika. Hierbei sind große Hersteller (u.a. Roche Diagnostics, Siemens, Abbott, Beckman Coulter) tätig wie auch eine große Zahl kleinerer und mittlerer Unternehmen. Innerhalb der EU ist die IVD-Industrie als Wirtschaftszweig in Deutschland am stärksten vertreten.
Der Branchenverband der Diagnostika-Industrie, VDGH, gibt auf seiner Website im Januar 2024 den Umfang des Gesamtmarktes der Diagnostika-Industrie in Deutschland 2022 mit 3,54 Mrd. Euro an (gegenüber Pandemie-bedingt 6,30 Mrd. Euro in 2021) [22]. Davon entfielen 89,8% auf Reagenzien und 10,2% auf Geräte und Service. Bei den Reagenzien wird der Umfang der Teil-Märkte wie folgt angegeben: Infektiologie 1,62 Mrd., Immunchemie 612 Mio., Klinische Chemie 473 Mio., Hämatologie 260 Mio., Mikrobiologie 170 Mio., Gentests 36,5 Mio.
In einer Pressemitteilung vom 27. März 2024 teilt der VDGH mit, dass die Branche 2021 4,1 Mrd. Euro mit Coronadiagnostik umgesetzt hatte, 2022 1,29 Mrd., und 2023 110 Mio.
Laut VDGH [22] sind in Deutschland ca. 31.000 Personen in der Diagnostika-Industrie beschäftigt. 2020 habe der Anteil der Aufwendungen der Firmen für Forschung und Entwicklung bei etwa 10% des Umsatzes gelegen.
9 Hochschulen und Qualifikationen
In der Approbationsordnung für Ärzte wird die Labormedizin im Rahmen der Pflicht-Lehre vor allem in den Fächern Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik sowie in den Fächern Mikrobiologie und Pathologie adressiert. Während Lehrstühle für Mikrobiologie bzw. Pathologie traditionell seit langer Zeit an praktisch allen medizinischen Fakultäten vertreten sind, gilt dies für die Klinische Chemie nicht. Lehrstühle sind hier in Deutschland vor allem seit den 1960er-Jahren entstanden. Einen Überblick bietet der Forschungs- und Lehratlas der Universitäten Laboratoriumsmedizin 2022 der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V. (DGKL) [23]. An Fakultäten ohne eigenen Lehrstuhl wird die Pflichtlehre (mit Vorlesungen, Seminaren und Praktika) durch Lehrbeauftragte realisiert. An den meisten Hochschulen ist eine strukturell integrierte Lehre der einzelnen Sub-Fächer der In-vitro-Diagnostik nicht verwirklicht, obwohl ein solches Konzept sicherlich Potentiale aufweist. Die Approbationsordnungs-Fächer der Labordiagnostik werden im schriftlichen und im mündlichen Teil des Staatsexamens (Ärztliche Prüfung) geprüft, wobei die Teilfragen nicht explizit den Fächern zugeordnet werden können.
Nur wenige spezifisch technisch-analytische Studiengänge in Deutschland adressieren bislang in gewissem Umfang die medizinische Analytik innerhalb der Bioanalytik. Eine relativ große – aber nicht verlässlich zu quantifizierende – Zahl von nicht-ärztlichen Akademikern ist in der Labordiagnostik in Deutschland tätig, auf Basis von Studiengängen wie Chemie, Lebensmittelchemie, Biologie, Biochemie, Chemieingenieurwesen. Voraussetzung für die Durchführung und Supervision von vorbehaltenen Tätigkeiten (s.o.) ist die nachweisliche Vermittlung der jeweils für die Diagnostik relevanten Kenntnisse. Eine staatlich anerkannte post-graduale Qualifikation für Analytiker in der medizinischen Diagnostik existiert in Deutschland nicht. Die Qualifikation „Klinischer Chemiker“ wird nach einem definierten Curriculum der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) durch ermächtigte Ausbildungsstätten vermittelt; sie ist jedoch nicht staatlich anerkannt.
Die Ausbildung zum Medizintechnologen für Labordiagnostik (MTL) erfolgt im Bereich der Berufsfachschulen und nicht im Hochschulbereich. MTL-Schulen sind traditionell Kliniken angeschlossen oder werden inzwischen von privaten Trägern betrieben. Die Verantwortung für diese Schulen liegt bei den jeweiligen Bundesländern. Die Ausbildungsdauer beträgt drei Jahre mit inzwischen umfangreichem Praxisanteil; es wird eine Ausbildungsvergütung gezahlt. Eine Akademisierung der MTL-Ausbildung (korrespondierend zur grundständigen Akademisierung etwa der Ausbildung von Hebammen und Geburtspflegern) wird seit vielen Jahren diskutiert, ist aber nicht abzusehen. Angebote zur spezifischen hochschulischen Höherqualifikation von MTL sind in Deutschland noch sehr begrenzt. Da MTL-Schulen behördlicherseits auf Länderebene geführt werden, ist die bundesweite Zahl von gegenwärtig betriebenen Schulen bzw. laufenden Ausbildungen nicht verfügbar.
10 Labordiagnostische Forschung
Spezifisch labordiagnostische Forschung findet vor allem an universitären Lehrstühlen statt [23] sowie auch in der Diagnostik-Industrie. Sie bezieht sich unter anderem auf die Translation von innovativen Analysetechniken in der Routinediagnostik – etwa bei der Massenspektrometrie. Die Identifikation von neuen Biomarkern wird an der Schnittstelle der Diagnostik zur Grundlagenforschung adressiert. Die klinische Forschung bezogen auf schließlich bereits technisch etablierte labordiagnostische Untersuchungen wird von vielen Disziplinen der Medizin adressiert, häufig in Zusammenarbeit von klinischen Studienpartnern und Labordiagnostikern. Auch die Zusammenarbeit zwischen Diagnostik-Herstellern und Kliniken spielt in der labordiagnostischen Forschung eine wichtige Rolle. Ein wesentlicher Teil der labordiagnostischen Forschung adressiert derzeit komplexe multi-parametrischen Analysentechniken, die umfassende biochemische Felder betreffen – oft als „omics-Techniken“ charakterisiert. Eine wichtige Rolle der Anwendung von künstlicher Intelligenz ist abzusehen.
Die Zahl der in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgreich aus der Forschung in die Routinediagnostik translatierten Untersuchungen ist nicht exakt anzugeben, jedoch gemessen an der Zahl der vorbesehenden Verfahren relativ moderat. Zu nennen sind u.a. die natriuretischen Peptide in der Diagnostik der Herzinsuffizienz, PCT und Interleukin-6 in der Sepsisdiagnostik, Anti-CCP-Antikörper in der Rheumatologie, AMH in der Reproduktionsmedizin oder Calprotectin in der Diagnostik chronisch entzündlicher Darmerkrankungen.
11 Verbände in der Labordiagnostik
Bei den im Bereich der Labordiagnostik aktiven Verbänden ist zwischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften einerseits und Berufsverbänden andererseits zu unterscheiden.
Zu den wissenschaftlichen Fachgesellschaften zählen die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik (DGKL, https://www.dgkl.de/), die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM, https://www.dghm.de) sowie die Gesellschaft für Virologie (GfV, https://www.g-f-v.org). Fachgesellschaften die sich auch, aber nicht ausschließlich der Labordiagnostik widmen, sind die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI, https://www.dgti.de), die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP, https://www.pathologie-dgp.de), die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO, https://www.dgho.de) sowie die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGI, https://dgfi.org). Dachverband der Fachgesellschaften in Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, https://www.awmf.org); persönliche Mitgliedschaften bestehen hier nicht. Eine funktionelle Einheit der AWMF ist die Ad-hoc-Kommission In-vitro-Diagnostik, die sich insbesondere der interdisziplinären Vernetzung widmet.
Dachverband der Europäischen Fachgesellschaften für Klinische Chemie bzw. Laboratoriumsdiagnostik ist die European Federation of Laboratory Medicine (EFLM, https://www.eflm.eu), globaler Dachverband die International Federation of Clinical Chemistry (IFCC, https://ifcc.org). Auch hier bestehen nur korporative Mitgliedschaften. Global führende Fachgesellschaft der Labordiagnostik ist die primär aus den USA aktive Association for Diagnostics and Laboratory Medicine (ADLM, https://www.myadlm.org).
Im Gegensatz zu den medizinischen Fachgesellschaften sind die Berufsverbände nach Satzung meist nicht gemeinnützig. Im Bereich der Labordiagnostik sind hier insbesondere zu nennen: der Dachverband der Technologen/-innen und Analytiker/innen in der Medizin Deutschland (dvta, https://www.dvta.de), der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL, https://www.bdlev.de), die Berufsvereinigung der Naturwissenschaftler in der Labordiagnostik (BNDL, https://www.bnld.de), die Berufsvereinigung der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, (BÄMi, https://www.baemi.de), die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Labore (AULA, https://aula-labore.de), Ärztliches Qualitätslabor (ÄQL, https://www.aeql.de). Die stärkste öffentliche Wahrnehmung unter den Berufsverbänden in der Labordiagnostik findet der Verband ALM e.V. (Akkreditierte Labore in der Medizin, https://www.alm-ev.de), ein Interessenverband akkreditierter medizinischer Labore in Deutschland. Nach eigenen Angaben vertritt der Verband ca. 900 Fachärzte, rund 500 Naturwissenschaftler und etwa 25.000 qualifizierte Mitarbeiter. ALM listet auf der Website 20 korporative Mitglieder mit über 200 Laborstandorten. Vertreten sind alle großen Laborverbünde und einzelne inhabergeführte Labore. Zu den größten Mitgliedern zählen die Anbieter Sonic Healthcare (australisches Aktienunternehmen, weltweit 37.000 Mitarbeiter, 7.500 in Deutschland, über 50 Standorte), Synlab (börsennotiertes Aktienunternehmen mit Sitz in Deutschland, international agierend; über 200 Fachärzte, über 30 Standorte in Deutschland), Limbach Gruppe (mehr als 300 Fachärzte, mehr als 5.000 Mitarbeiter, mehr als 30 Labore). ALM vertritt die Labordiagnostik in der SpiFA, dem Dachverband der ärztlichen Berufsverbände.
12 Diskussion und Ausblicke
Labordiagnostische Untersuchungen stellen die mit Abstand häufigste technische Maßnahme in der Medizin dar; die Strukturen der Labordiagnostik können für die Medizin in Deutschland als systemrelevant bezeichnet werden, da sie praktisch alle medizinischen Einrichtungen betreffen. Die Labordiagnostik – mit ihren nicht-kurativen, sekundärmedizinischen Teilfächern – stellt eine zentrale, hoch-effektive und effiziente Säule der evidenzbasierten Medizin dar.
Aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen lässt sich ein relativ aussagekräftiges Bild dieser Sparte der Medizin in Deutschland zeichnen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Strukturen der labordiagnostischen Leistungserbringung in den unterschiedlichen Sektoren recht heterogen sind – sie reichen von der patientennahen Sofortdiagnostik über ausgesprochene Spezialdiagnostik etwa in der onkologischen Hämatologie bis hin zu hochgradig zentralisierten, Finanzinvestor-getragenen Großlaboren. Entsprechend weist Versorgungsforschung in der Labordiagnostik in Deutschland eine systeminhärente Unschärfe auf – z.B. im Hinblick auf die tatsächliche Gesamtanzahl aller jährlich durchgeführten Analysen oder das Ausmaß der institutionellen Qualitätssicherung durch Behörden.
Insgesamt ist ein sehr hohes Leistungsvolumen der Labordiagnostik in Deutschland zu verzeichnen. Hinweise auf relevante Versorgungslücken oder Qualitätsprobleme sind nicht offensichtlich, wobei – aus Perspektive der kurativ tätigen Ärztinnen und Ärzte – hierüber keine systematisch erhobenen Daten vorliegen.
Die Zahl der Laborärztinnen und Laborärzte ist in den zurückliegenden 13 Jahren um ca. 21% angestiegen, was unter dem prozentualen Anstieg der Fachärzteschaft insgesamt liegt (Tabelle 1 [Tab. 1]).
Die Kosten, die in der Gesundheitsversorgung für Labordiagnostik aufgewendet werden, sind von 2012 bis 2020 um 55% gestiegen, was relativ gesehen unter dem Kostenaufwuchs von 64% des gesamten Gesundheitssystems in Deutschland liegt (Tabelle 2 [Tab. 2]). Diese Tendenz des Kostenaufwuchs ist zweifellos systembedrohend für die Gesundheitsversorgung in Deutschland und dies muss auch in der Labordiagnostik adressiert werden, um eine künftige Rationierung von Gesundheitsleistungen zu verhindern.
Ein internationaler Vergleich von Umfang und Qualität der labordiagnostischen Versorgung ist mangels vergleichbarer Publikationen schwierig. Lediglich für die USA liegt ein umfassender Report von [24] vor, der jedoch von 2008 stammt.
Als ein fundamentales Problem der labordiagnostischen Versorgung in Deutschland ist der zunehmend relevante Mangel an Fachkräften zu betrachten. Dies ist teilweise demographisch zu erklären. Deutschlandweite statistische Daten zu MTL-Schulen und deren Situation sind aufgrund der föderalen Strukturen des Schulsystems nicht verfügbar. Die Neuregelung der Berufsausbildung im analytisch-technischen Bereich durch das Gesetz über die Berufe in der medizinischen Technologie (MT-Berufe-Gesetz, MTBG) von 2021 bringt für die Ausbildungseinrichtung erhebliche Herausforderungen mit sich; wie sich dies auf die Zahl der Absolvierenden auswirken wird, kann noch nicht mit Bestimmtheit prognostiziert werden. Das MTBG legt nach wie vor fest, dass die wesentlichen, analytisch-technisch anspruchsvollen Tätigkeiten im medizinischen Labor ausschließlich von Medizinisch-technischen Labortechnologen durchgeführt werden dürfen; wobei die Öffnung im Hinblick auf akademisch-analytische Qualifikationen zunehmend relevant wird. Eine zunehmende partielle Substitution von MTL durch angelerntes Personal bzw. Personal aus anderen Medizinfachberufen (v.a. Medizinische Fachangestellte und Biotechnologen) unter Supervision ist zu erwarten. Dies stellt zweifellos eine wachsende Herausforderung an das Kompetenzmanagement in medizinischen Laboratorien dar.
Neben einer zunehmenden Mangelsituation im MTL-Bereich ist auch im ärztlichen Bereich im medizinischen Labor mit zunehmenden Personalengpässen zu rechnen. Zwar stellt die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen gegenwärtig noch in allen Planungsbereichen eine Überversorgung fest, doch ist aufgrund der gegebenen Altersverteilung der Tätigen in der kommenden Dekade mit einer zunehmend angespannten Personalsituation zu rechnen. Es ist daher von besonderer Wichtigkeit, dem ärztlichen Nachwuchs den Bereich der Labordiagnostik als nicht-kuratives Gebiet der Medizin nahezubringen – letztlich, um das traditionell dezidierte ärztliche Gepräge der Labordiagnostik in Deutschland erhalten zu können.
Die Medizin in Deutschland ist fächerübergreifend durch einen kontinuierlichen zunehmenden Versorgungsdruck gekennzeichnet; dieser beruht wesentlich auf einer demographisch bedingten Morbiditätszunahme bei gleichzeitiger, ebenfalls demographisch bedingter Abnahme der Zahl der Leistungserbringer. Die Labordiagnostik hält diesem Druck derzeit offensichtlich noch besser stand als andere Disziplinen. Es gibt keine im öffentlichen Raum wahrnehmbare Diskussion über Leistungsdefizite in der Labordiagnostik – ganz im Gegensatz zur kurativ-fachärztlichen Versorgung in vielen Bereichen bzw. im Bereich der Akutversorgung in Notfallambulanzen. Struktur- und Prozessqualität der Labordiagnostik in Deutschland können derzeit insgesamt als sehr gut bewertet werden. Durch zunehmend leistungsfähige Automation der Laboranalytik und Konsolidierung von Laboren auf Grundlage einer zunehmend optimierten Probentransportlogistik kann eine Mangelversorgung in der Labordiagnostik in Deutschland derzeit verhindert werden. Dennoch erscheint es denkbar, dass kleinere Laborstandorte infolge eines Mangels an MTL für vorbehaltene Tätigkeiten aufgegeben werden müssen.
Insgesamt wird die Labordiagnostik in Deutschland zunehmend von großen, überregional bzw. international agierenden Labornetzwerken letztlich kommerzieller Prägung dominiert – sowohl im ambulanten wie auch im stationären Sektor. Entsprechend allgemeiner wirtschaftlicher Marktmechanismen ist hier mit einer weiteren Marktkonsolidierung zu rechnen, da größere Einheiten im allgemeinen ausgeprägtere Synergieeffekte realisieren können; auch der zunehmende Fachkräftemangel könnte auf eine solche Entwicklung einwirken. In der Tat ist auch in den letzten Jahren ein Fortschreiten den Konzentrationsprozesses medizinischer Labore zu verzeichnen.
Die Rolle von internationalen Finanzinvestoren in der deutschen Medizin allgemein wird – zumindest in der Medizin-Öffentlichkeit – zunehmend kritisch wahrgenommen. In der Labordiagnostik spielen diese Investoren inzwischen – weit mehr als in anderen Bereichen der Medizin – eine wesentliche Rolle. Auf Grundlage dieses Kapitalengagements sollen Erträge aus dem Solidarsystem der deutschen Medizin gezogen werden. Seitens der Investoren wird betont, dass durch ihr Engagement dem Gesundheitswesen Kapital für die Patientenversorgung erschlossen wird, das aus dem System nicht mehr erbracht werden kann. Es kann Konsens angenommen werden, dass ärztliches Tun in der Diagnostik – ebenso wie im kurativen Bereich – nicht durch kommerzielle Interessen und Erwägungen kompromittiert werden darf sowie dass das ärztliche Gepräge der Labordiagnostik in der deutschen Medizin zu bewahren ist. Der Schutz der Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidung auch im Labor (v.a. hinsichtlich Indikationsstellung) und die Verhinderung einer wettbewerbsfeindlichen Anbieterdominanz sind wichtige Ziele von Gesetzesvorhaben, die 2024 angekündigt worden sind.
Auch aus gewerblicher Perspektive von Investoren kann die Frage gestellt werden, ob die Labordiagnostik in Deutschland als Wachstumsbereich anzunehmen ist. Im Hinblick auf eine Demographie-bedingte Morbiditätszunahme ist dies vorstellbar; hierbei ist insbesondere die Prävalenzzunahme des Diabetes mellitus mit seinen Folgeerkrankungen zu berücksichtigen. Andererseits werden bislang Ansätze eines „Utilisation Management“ in der Labordiagnostik mit dem Ziel einer effizienteren Nutzung von Untersuchungen nur eher marginal verfolgt. Inwieweit in Deutschland Bereiche von Über- und Fehlversorgung mit Laborleistungen anzunehmen sind, ist noch nicht Gegenstand publizierter Versorgungsforschung.
In gewissem Umfang ist ein Leistungszuwachs in der Labordiagnostik durch neue Verfahren zu erwarten. Dies gilt u.a. für Nukleinsäure-basierte Techniken in der Onkologie. Companion Diagnostics-Verfahren werden eingesetzt, um Pharmaka, die auf spezifische Tumor-Mutationen abzielen, personalisiert einsetzen zu können. Die Analytik zirkulierender Nukleinsäureketten wird einerseits zunehmend zum Therapiemonitoring eingesetzt, ist aber andererseits auch von zunehmendem Interesse im Hinblick auf ein denkbares Malignom-Screening. Allgemein ist im Hinblick auf innovative Nukleinsäure-basierte labordiagnostische Verfahren zu beobachten, dass die primär scharfe fachliche Grenze zwischen den Fächern Klinische Chemie/Labormedizin und Pathologie schwindet.
Als Wachstumsbereich kann das therapeutische Drug-Monitoring (TDM) angenommen werden – das Konzept auf Grundlage von Arzneistoffspiegel-Messungen die Dosierung von (nieder- wie auch hochmolekularen) Pharmaka individuell anzupassen. Dieser Bereich ist von der Diagnostik-Industrie seit Jahrzehnten wenig adressiert worden. Seitens der Pharmahersteller ist diesem Diagnostikbereich eine grundsätzlich konservative bis ablehnende Haltung festzustellen. In einigen Bereichen – z.B. der Antibiotikabehandlung lebensbedrohlicher Infektionen – ist jedoch mittlerweile ein klarer klinischer Bedarf zu erkennen. Für das TDM kristallisiert sich die Massenspektrometrie klar als Schlüsseltechnologie heraus. Zunehmende Automation wird eine Translation in Standardlabore in den nächsten Jahren vermutlich deutlich verstärken. Eine massenspektrometrische „Omics“-Technik stellt inzwischen in der Bakteriologie ein industrialisiertes Routineverfahren dar; seit Jahrzehnten werden verschiedenste andere „Omics“-Ansätze dahingehend entwickelt und untersucht, ob sie perspektivisch einen nützlichen Beitrag zur klinischen Labordiagnostik leisten können. „Omics“ steht dabei für analytische Verfahren, die eine große Zahl von Analyten, oft aus unterschiedlichen chemischen Klassen als Muster qualitativ oder auch quantitativ erfassen (Protomics, Metabolomics, Lipidomics, etc.).
Regulär werden labordiagnostische Leistungen nach evidenzbasierter Indikationsstellung ärztlich veranlasst. Analytik, die direkt von „Konsumenten“ in Auftrag gegeben wird, hat einen potentiell zunehmenden Umfang (englischsprachige Terminologie DTC, direct-to-customer). Das schließt ernährungsbezogene Untersuchungen ein (z.B. Spurenelement-Status, Vitamin-Status), „komplementärmedizinische Untersuchungen“ (vielfach von Heilpraktikern veranlasst), aber auch genetische Analysen. Dieser Analytikbereich ist aus ärztlicher Sicht höchst fragwürdig, insbesondere da Resultate, die von Normalkollektiven abweichen, für die Betroffenen eine relevante Belastung darstellen können, ohne tatsächlich von gesundheitlicher Relevanz zu sein. Gleiches gilt im Prinzip für die sog. individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL-Leistungen); hierbei handelt es sich um Untersuchungen, deren Erbringung von Ärzten angeboten wird, obwohl diese im spezifischen Fall nicht in den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen sind – wegen fehlender Evidenzbasierung (z.B. Vitamin-D-Screening, gynäkologische Tumor-assoziierte Proteine bei Gesunden, umfangreiche Vitamin- und Spurenelementanalysen). In diesem Bereich ist die Indikationsqualität der Anforderungen oft sehr fragwürdig. Aus ärztlicher Sicht ebenfalls problematisch ist die – politisch z.T. propagierte – Erweiterung des Leistungsangebotes von Apotheken in die Labordiagnostik. Zumindest Indikationsstellung und Bewertung von Laboruntersuchungen ist als vorbehaltene ärztliche Tätigkeit zu sehen.
Im Bereich der Kliniklabore wird die anstehende Krankenhausreform vermutlich in gewissem Umfang Änderungen mit sich bringen; es ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Kliniken in Deutschland abnehmen wird. Dies wird mutmaßlich eher kleine Einrichtungen betreffen, von denen lediglich ein kleiner Teil eine eigene Laborinfrastruktur vorhält. Gesamthaft gesehen verfügen mittlerweile nur noch deutlich unter 20% der Kliniken über eine eigene Laborinfrastruktur. Patientennahe Sofortdiagnostik (POCT) wird entsprechend in großem Umfang mit externen Laborkooperationen – mit anderen Kliniken bzw. Laborpraxen – kombiniert. Mit vermutlich kontinuierlich abnehmender Verfügbarkeit von MTL in Kliniken und weiter verbesserten gerätetechnischen Lösungen wird die Bedeutung von POCT – über die klassische Blutgas- und Glucose-Analytik hinaus – vermutlich zunehmen. Diese Tendenz wird die technischen Anforderungen an das Pflegepersonal erhöhen. Für einen großen Teil der erweiterten Routineanalytik ist ein Probentransport in Labore des niedergelassenen Bereichs bei einem Zeithorizont von ca. 12 Stunden tolerierbar, wenn auch nicht ideal. Wenn ein Haus mit Notaufnahme die Messung beispielsweise von TSH zur Erkennung einer hochgradigen Schilddrüsenunterfunktion nicht realisieren kann, kann dies im Einzelfall negative Auswirkungen haben. Kritisch ist ein relevanter Zeitverzug durch ein Proben-Outsourcing insbesondere im Bereich der Infektionsdiagnostik auf Grundlage von Blutkulturen. In gewissem Umfang kann erwartet werden, dass in Ballungsräumen künftig ein Probentransport mittels Drohnen einen sinnvollen Beitrag zur Logistik und zur Vernetzung von Kliniklaboren leisten kann.
Mit Stand Ende 2024 betrachtet die deutsche Laborärzteschaft Änderungen und Umverteilungen im EBM ab 2025 als sehr kritisch bzw. teilweise existenzbedrohend infolge einer erwarteten deutlichen Verschlechterung der Honorarsituation. Eine aktuelle Herausforderung stellt auch die anstehende Einführung der elektronischen Patientenakte dar, im Kontext des MIO-Standards (Medizininformatik-Objekte) zum Austausch von Laborresultaten.
In der Gesamtbetrachtung unterliegen in Deutschland die Strukturen der medizinischen Labordiagnostik – die im Vergleich mit anderen medizinischen Disziplinen sehr heterogen aufgestellt ist – in den letzten Jahren einer hohen Dynamik, was sich mutmaßlich in den kommenden Jahren fortsetzen wird.
Anmerkungen
Sprachliche Anmerkung
Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit zum Teil das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – grundsätzlich auf alle Geschlechter.
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
[1] Vogeser M. Statistische Strukturdaten zur medizinischen Labordiagnostik in Deutschland – Statusbericht 2022. GMS Z Forder Qualitatssich Med Lab. 2022;13:Doc02. DOI: 10.3205/lab000045[2] Bundesärztekammer. Ärztestatistik zum 31. Dezember 2023. [accessed 2024 Oct 08]. Available from: https://www.bundesaerztekammer.de/baek/ueber-uns/aerztestatistik/2023
[3] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Statistische Informationen aus dem Bundesarztregister, Bundesgebiet insgesamt, Stand 31.12.2023. KBV; 2023 [accessed 2024 Sep 19). Available from: https://www.kbv.de/html/bundesarztregister.php
[4] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Qualitätsbericht 2023: Berichtsjahr 2022. Berlin: KBV; 2024 [accessed 2024 Oct 01]. Available from: https://www.kbv.de/html/1748.php
[5] Kassenärztliche Bundesvereinigung; GKV-Spitzenverband. Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur Erbringung von speziellen Untersuchungen der Laboratoriumsmedizin (Qualitätssicherungsvereinbarung Spezial-Labor) vom 01.04.2018 in der ab dem 01.01.2024 geltenden Fassung. 2023 [accessed 2024 Oct 01]. Available from: https://www.kbv.de/html/themen_2839.php
[6] Statistisches Bundesamt. GENESIS-Online: Die Datenbank des Statistischen Bundesamtes. [accessed 2024 Sep 19]. Available from: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online
[7] Statistisches Bundesamt. Statistischer Bericht – Grunddaten der Krankenhäuser 2022. 2023 Oct 04 [updated 2024 Jul 10, accessed 2025 Sep 23]. Available from: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Publikationen/_publikationen-innen-grunddaten-krankenhaus.html
[8] Borges P, Böhnke D, Claßen A, Benning S, Werner JP. Labormarkt – Quo vadis? Markthistorie – Aktuelle Trends – Erfolgsrezepte. aktiva; 2020 [accessed 2024 Jun 11]. Available from: https://www.aktiva-gesundheitswesen.de/publikationen
[9] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Die Bedarfsplanung. Grundlagen, Instrumente und Umsetzung. Berlin: KBV; 2020 [accessed 2024 Oct 08]. Available from: https://www.kbv.de/html/bedarfsplanung.php
[10] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Gesundheitsdaten: Versorgungsgrade in Planungsbereichen. [accessed 2024 Oct 08]. Available from: https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/17016.php
[11] Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (in Kraft getreten 3. Juni 2023). 2023. Available from: https://www.g-ba.de/richtlinien/4/historie/
[12] Mangiapane S, Kretschmann J, Czihal T, von Stillfried D. Zi-Trendreport zur vertragsärztlichen Versorgung: Bundesweiter tabellarischer Report vom 1. Quartal 2021 bis zum 1. Quartal 2023. Berlin: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung; 2023 Nov 07 [accessed 2024 Oct 08]. Available from: https://www.zi.de/service/reports-und-papers/zi-trendreport-uebersicht/zi-trendreport
[13] Dräther H, Gutsch A. Das Leistungsgeschehen in der vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 2022: Auswertung der GKV-Frequenzstatistik. Berlin: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO); 2024. (LISA Leistungs-Informations-System Ärzte). DOI: 10.4126/FRL01-006475297
[14] Dräther H, Gutsch A. Das Leistungsgeschehen in der vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 2017: Auswertung der GKV-Frequenzstatistik. Berlin: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO); 2019 [accessed 2024 Oct 08]. (LISA Leistungs-Informations-System Ärzte). Available from: https://www.wido.de/forschung-projekte/ambulante-versorgung/gkv-frequenzstatistik/
[15] Grobe TG, Szecsenyi J. BARMER Arztreport 2023: Kindergesundheit – Frühgeburtlichkeit und Folgen. Berlin: BARMER; 2023 [accessed 2024 Oct 08]. (Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse; 39). Available from: https://www.bifg.de/publikationen/reporte/arztreport-2023
[16] Statistisches Bundesamt. Gesundheitsausgaben Ausgabenträger, Leistungsarten, Einrichtungen. 2024 Jun 27. [accessed 2024 Sep 20]. Available from: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/_inhalt.html
[17] Statistisches Bundesamt. Qualitätsbericht – Gesundheitsausgabenrechnung 2021, erschienen am 5.4.2023.
[18] Statistisches Bundesamt. Qualitätsbericht – Gesundheitspersonalrechnung 2021, erschienen am 26.1.2023.
[19] Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM). [accessed 2024 Oct 08]. Available from: https://www.kbv.de/html/online-ebm.php
[20] Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Available from: https://www.gesetze-im-internet.de/go__1982/
[21] Verband der Ersatzkassen e.V. vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens in Deutschland 2024. Berlin: vdek; 2024. Available from: https://www.vdek.com/basisdaten
[22] Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH). Marktdaten In-vitro-Diagnostik. [accessed 2024 Oct 08]. Available from: https://www.vdgh.de/marktdaten/deutschland2/diagnostica-markt
[23] Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL). Forschungs- und Lehratlas der universitären Laboratoriumsmedizin 2022. 1st ed. 2022 Sep.
[24] The Lewin Group, Wolcott J, Schwartz A, Goodman C. Laboratory Medicine: A National Status Report. 2008 May. Available from: https://stacks.cdc.gov/view/cdc/30726