[Der Wunsch nach assistiertem Suizid – thematisch und didaktisch eine Herausforderung in der medizinischen Ausbildung. Projektbericht eines Wahlpflichtfachs am Universitätsklinikum Aachen]
Alexandra Scherg 1Miriam Wegmann 1
Thekla Biersching 2
Daniel Fink 3
Martin Lemos 3
Frank Elsner 3
1 RWTH Aachen University, Medizinische Fakultät, Klinik für Palliativmedizin, Aachen, Deutschland
2 Universität Duisburg-Essen, Universitätsklinikum Essen, Palliativmedizin der Universitätsmedizin Essen, Essen, Deutschland
3 RWTH Aachen University, Medizinischen Fakultät, AVMZ - Audiovisuelles Medienzentrum, Aachen, Deutschland
Zusammenfassung
Zielsetzung: In der Klinik für Palliativmedizin der RWTH Aachen University wurde im Rahmen des Erasmus+ Projekts „ELPIS“ ein Wahlpflichtfach „Umgang mit Todes- und Suizidwünschen in der Palliativmedizin“ eingerichtet und im Sommersemester 2023 erstmals sowohl als Präsenzveranstaltung als auch digital angeboten. Ziel des Projektes war, den Studierenden Hintergrundwissen, Handlungskompetenz und eine Option zur dynamischen Positionierung zum Thema Assistierter Suizid anzubieten.
Methodik: Der Kurs wurde zunächst für 15 Studierende in Präsenz angeboten. Er umfasst in einem Zeitraum von 120 min einen Impulsvortrag und ein interaktives Gespräch mit einer Simulationspatientin. Es erfolgte eine pseudonymisierte, elektronische Evaluation. Neben 4 Items zu demografischen Daten lag der Fokus insbesondere auf der Beschreibung der persönlichen Haltung und Wissen zum Assistierten Suizid (6 Items). Zusätzlich wurde die Beschreibung des globalen Outcomes (4 Items) und der Messung des Lernzuwachses auf den Ebenen Wissen, Fertigkeiten und Haltung erfragt (8 Items).
Ergebnisse: Die Evaluation zeigt eine Bewertung der Suizidassistenz als ärztliche Aufgabe, lässt aber gleichzeitig Wissensdefizite zu Alternativen am Lebensende vermuten. Die Selbsteinschätzung des Vorbereitetseins steigerte sich durch die Intervention, die Angst vor der Konfrontation mit Suizidwünschen war rückläufig. Das Angebot zur dynamischen eigenen Positionierung am Modell eines Spielfelds wurde als hilfreich wahrgenommen. Die spezifische Outcome-Evaluation zeigte einen Lernzuwachs in allen Dimensionen.
Schlussfolgerung: Die Teilnehmenden zeigen eine offene Haltung zum Assistierten Suizid als Ärztliche Aufgabe. Zeitgleich fühlen sie sich unzureichend vorbereitet und haben Angst vor der Verantwortung, die die Konfrontation mit Suizidwünschen mit sich bringt. Derzeit erfolgt die vergleichende Auswertung der digitalen Lehrveranstaltung, sowie eine Befragung der Studierenden in semistrukturierten Interviews, um ein besseres Verständnis ihrer Wahrnehmung und Ängste zu erlangen.
Schlüsselwörter
assistierter Suizid, Palliativmedizin, medizinische Ausbildung, professionelle Identitätsentwicklung
Einleitung
Im Februar 2020 wurde in Deutschland durch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe aufgehoben [1]. Jeder Mensch, der in der Lage ist, freiverantwortliche Entscheidungen zu treffen, hat das Recht sein Leben zu beenden und dabei Dritte um Hilfe zu bitten, so das Verfassungsgericht. In der Folge wurde 2021 auch das standesrechtliche Verbot zur Mitwirkung am Suizid für Ärzt*innen aufgehoben, indem der Satz „Ein Arzt darf keine Hilfe zu Selbsttötung leisten.“ aus der Musterberufsordnung gestrichen wurde [2]. Diese neue rechtliche Situation ergibt neben viel Freiheit auch ein hohes Maß an Verantwortung für Behandelnde, auch eine ethische und emotionale Positionierung zum persönlichen Umgang mit Todes- und Suizidwünschen zu erlangen. Angehende Ärzt*innen sollten deshalb frühzeitig auf einen adäquaten Umgang mit dieser Freiheit und Verantwortung vorbereitet werden. Didaktisch stehen Dozierende hier vor der Herausforderung, den Studierenden in einem Lehrsetting das Gewicht der Verantwortung nahezubringen, mit dem sie in der realen Behandlungssituation konfrontiert werden. Unter den Lehrenden der Palliativmedizin an deutschen medizinischen Fakultäten findet derzeit eine Diskussion statt, inwieweit der Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz überhaupt Raum in der studentischen Lehre finden, oder eher im Bereich Weiterbildung verortet werden sollte [3]. Dieser Beitrag beschreibt die Etablierung eines Seminars zum Umgang mit Suizidwünschen an der Uniklinik RWTH Aachen im Rahmen des EU-Erasmus+ Projekts ELPIS (ELearning on Palliative Care for International Students), KA220-HED-AF6D681C.
Projektbeschreibung
An dem Projekt ELPIS sind sieben Medizinische Fakultäten in Rom und Bologna (Italien), Pécs (Ungarn), Brasov (Rumänien), Pamplona (Spanien), Hamilton (Kanada) und Aachen (Deutschland) beteiligt.
In einem ersten Arbeitspaket wurden, basierend auf einer internationalen Literaturrecherche mittels „realist synthesis“, Anforderungen an gelungene elektronische Lehre formuliert [4]. Basierend auf diesen Anforderungen (educational theory, desired effect of technology, integration in overall curriculum) wurden an den einzelnen Standorten palliativmedizinische Lehr-Einheiten zu jeweils selbst bestimmten Themen/Lernzielen entwickelt.
An der Klinik für Palliativmedizin der Uniklinik RWTH Aachen wurde im Rahmen eines Pilotprojekts erstmalig ein klinisches Wahlpflichtfach zum Thema „Umgang mit Todes- und Suizidwünschen in der Palliativmedizin“ angeboten. Das Angebot umfasste zweimal 120 Minuten Unterricht sowie eine umfassende Evaluation seitens der Studierenden. Der erste Termin fand in Präsenz statt (an einem zweiten Termin wurden die Inhalte desselben Lernziels in einer digital gestützten Lehr-Einheit [https://emedia-medizin.rwth-aachen.de/course/view.php?id=573&lang=de] angeboten). In beiden Angeboten wurde zunächst in einem Impulsvortrag die rechtliche Situation in Deutschland und eine Zusammenfassung der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) zum Umgang mit Todes- und Suizidwünschen in der Hospizarbeit und Palliativversorgung dargestellt [5]. Ferner wurde den Studierenden eine Methodik angeboten, sich selbst am Bild eines Spielfelds in einem dynamischen Prozess immer wieder neu zum Umgang mit Suizidwünschen zu positionieren (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) Das Spielfeld kann genutzt werden, um für sich selbst oder im Team an konkreten Fallbeispielen oder auch abstrakt rote Linien zu ziehen, die sich mit neuen Erfahrungen durchaus verschieben können. Ein Beispiel könnte wie im Kurs diskutiert sein, der Wunsch nach Suizidassistenz durch eine*n Patient*in vs. Eine*n Nahestehenden. In einer anschließenden Gesprächssequenz in Präsenz konnten die Studierenden in einer Doppelrolle (Ärzt*in und Angehörige(r)) die Auseinandersetzung mit dem Suizidwunsch einer Schauspiel-Patientin erleben und üben: Im Setting einer Familienfeier schlüpften die Studierenden in die Rolle „Ärzt*in nach Feierabend“, gleichzeitig waren Sie das Patenkind der Patientin. Diese äußerte aufgrund einer fortgeschrittenen Lungenkarzinomerkrankung mit cerebraler Metastasierung den Wunsch nach Hilfe beim Suizid. In der digitalen Version der Lehrveranstaltung wurde mit derselben Schauspielpatientin ein interaktives Gespräch aufgezeichnet, dessen Verlauf sich nach der Reaktion der Studierenden richtet: die Studierenden haben im Verlauf des Gespräches verschiedene Reaktionen/Antwortmöglichkeiten zur Auswahl. Je nachdem, wie sie sich entscheiden, nimmt das Gespräch eine entsprechende Wendung, die teilweise ein direktes Feedback an die Studierenden beinhaltet und ihnen die Möglichkeit eröffnet, „anders abzubiegen“. Im Anschluss an diese Veranstaltung erfolgte eine pseudonymisierte Evaluation mit Hilfe eines elektronischen Fragebogens (Surveymonkey®) mit 23 Items. Neben 4 Items zu demografischen Daten lag der Fokus insbesondere auf der Beschreibung der persönlichen Haltung zum Assistierten Suizid und des Erlebens der Konfrontation mit diesem (6 Items). Zusätzlich wurde die Beschreibung des globalen Outcomes (4 Items) und der Messung des Lernzuwachses durch die Lehrintervention auf den Ebenen Wissen, Fertigkeiten und Haltung erfragt (8 Items). Die Datenerhebung erfolgte in Form von 6-Punkt Likert Skalen (trifft gar nicht zu – trifft voll zu bzw. stimme gar nicht zu – stimme voll zu) und wurde deskriptiv ausgewertet. Die Berechnung des Lernzuwachses (CSA Gain) erfolgte mit der Formel CSA Gain=(µpre- µpost)/(µpre-1) x 100, die es ermöglicht, den prozentualen Lernzuwachs hinsichtlich konkreter Lernziele, basierend auf einer Selbsteinschätzung im post-then-Verfahren darzustellen.
Abbildung 1: Modell eines Spielfelds zur Unterstützung bei der dynamischen Positionierung der eigenen Rolle
Die Auswertung der Durchführung des digitalen Lehrangebots und die vertiefende Gesamt-Evaluation der Haltung der Studierenden zu beiden Lehransätzen mittels semistrukturierter Interviews ist bisher nicht abgeschlossen und soll daher später publiziert werden. Die hier beschriebenen Ergebnisse fassen die Präsenzveranstaltung zusammen.
Ergebnisse
An dem Pilotprojekt im Sommersemester 2023 nahmen 15 Studierende teil (80% weiblich). Die Studierenden waren im Durchschnitt 22 Jahre alt (19-31 Jahre) und verteilten sich auf die Semester 4 bis 10.
Eine Wissensfrage zur straf- und standesrechtlichen Situation in Deutschland bezogen auf Assistierten Suizid und Tötung auf Verlangen wurde von den Studierenden überwiegend korrekt beantwortet. Lediglich die Frage nach Geschäftsmäßigkeit von assistiertem Suizid/Tötung auf Verlangen wurde von 8 Studierenden übersprungen und eine Person gab fälschlicherweise an, dass Tötung auf Verlangen in Deutschland geschäftsmäßig angeboten werden dürfe.
Unabhängig von konkreten Szenarien wurden die Studierenden zunächst zur ärztlichen Rolle im Kontext Todeswünsche befragt. Die Mehrzahl der Studierenden hielt die Begleitung von Menschen mit Todeswünschen und den Assistierten Suizid für eine ärztliche Aufgabe. Alle Studierenden befanden Tötung auf Verlangen nicht als ärztliche Aufgabe.
Die größte Zustimmung für die Nachvollziehbarkeit eines Suizidwunsches (n=15) und die Rechtfertigung der Durchführung (n=15) fanden die Szenarien „Tumorerkrankung ohne tumorspezifische Therapieoption mit einer Lebenserwartung von Tagen bis Wochen“ gefolgt von „Tetraparese mit Beatmungspflichtigkeit in stabiler Situation“. Die größte Ablehnung in beiden Punkten fand der „Todeswunsch ohne relevante Vorerkrankungen“. Äußerst ambivalent war die Beurteilung bezogen auf „Therapieresistente psychische Störungen“. Die Einschätzung hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Wunsches nach Tötung auf Verlangen (n=14) und der Rechtfertigung der Durchführung (n=13) zeigte eine ähnliche Gewichtung der einzelnen Szenarien, wobei die Ablehnung insgesamt größer war (siehe Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3], Abbildung 4 [Abb. 4] und Abbildung 5 [Abb. 5]).
Abbildung 2: Bewertung konkreter Szenarien hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Wunsches nach assistiertem Suizid
Abbildung 3: Bewertung konkreter Szenarien hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Wunsches nach Tötung auf Verlangen
Abbildung 4: Bewertung konkreter Szenarien hinsichtlich der Rechtfertigung der Durchführung eines assistierten Suizids
Abbildung 5: Bewertung konkreter Szenarien hinsichtlich der Rechtfertigkeit einer Tötung auf Verlangen
Bei der Auswertung der Likert Skalen wurden trifft voll zu/stimme voll zu – trifft eher zu/stimme eher zu als Zustimmung, trifft eher nicht zu/stimme eher nicht zu – trifft gar nicht zu/stimme gar nicht zu als Ablehnung bewertet.
Die Studierenden gaben an, sich als Menschen und angehende Ärzt*innen vor dem Seminar nicht gut auf die Konfrontation mit Suizidwünschen vorbereitet gefühlt zu haben (n=15: Ablehnung 100%).
Die Selbsteinschätzung des Vorbereitetseins steigerte sich durch die Intervention in der Rolle „Ärzt*in“ (n=15: Zustimmung 67%) und in der Rolle als „Mensch“ (n=15: Zustimmung 60%).
Die Vorstellung von einer/einem Patient*in (n=15: Zustimmung 67%) oder einem nahestehenden Menschen (n=15: Zustimmung 100%) um Hilfe beim Suizid gebeten zu werden, macht den Studierenden Angst.
Nach der Intervention ist diese Angst für die Bitte eines/einer Patient*in (n=15: Ablehnung 60%) deutlich stärker rückläufig als im Falle der Bitte eines nahestehenden Menschen (n=15: Ablehnung 7%).
Der Großteil der Studierenden fühlte sich durch das Gespräch mit der Simulationspatientin emotional berührt (n=15: Zustimmung 93%), aber nicht belastet (n=15: Ablehnung 73%) oder überfordert (n=15: Ablehnung 67%).
Zur dynamischen Positionierung der eigenen Rolle und Anpassung persönlicher „roter Linien“ wurde den Studierenden das Bild eines Spielfelds (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) vermittelt. Dieses Bild wurde von den Studierenden als hilfreich bewertet (n=15: Zustimmung 80%).
Das Spielfeld dient der Visualisierung der eigenen Grenzen im Kontext der professionellen Rolle. Beispielsweise kann so jeder für sich oder im Team anhand von konkreten Szenarien/Fallbeispielen/Fragestellungen „rote Linien“ definieren: eine Grenze kann beispielsweise die persönliche Betroffenheit sein, oder auch das Fehlen einer zum Tode führenden Erkrankung etc.
Zur Ermittlung des spezifischen Outcomes [6] der Veranstaltung wurde die Selbsteinschätzung des Lernzuwachses bezogen auf 8 Lernziele des Kurses berechnet, zu jedem der Lernziele wurde ein deutlicher Lernzuwachs berichtet (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Der geringste Lernzuwachs wurde beim Lernziel „Ich nehme einen mir gegenüber formulierten Suizidwunsch ernst.“ beschrieben, wo die Studierenden sich bereits vor der Intervention als kompetent einschätzten. Den größten Lernzuwachs berichteten sie bezogen auf die Beratung zu palliativmedizinischen Alternativen zum Suizid und zur Reflexion der eigenen Emotionen und Grenzen.
Tabelle 1: Lernzuwachs bezogen auf spezifische Lernziele der Veranstaltung in den Dimensionen Wissen (W1-2), Fertigkeiten (F1-3) und Haltung (H1-3)
Diskussion
Die Studierenden beschreiben im Rahmen der Intervention einen Lernzuwachs, der etwa gleichmäßig auf kognitive (W1-2), psychomotorische (F1-3) und affektive (H1-3) Lernziel-Dimensionen verteilt ist. Insbesondere die Beratung zu palliativmedizinischen Alternativen im Sinne einer Suizidprävention und die Selbstreflexion als Merkmal der Selbstfürsorge werden hier mit einem hohen Lernzuwachs bewertet.
Die Befragung der Studierenden hinsichtlich Ihrer Haltung zu Suizidwünschen im Allgemeinen und bezogen auf konkrete Szenarien zeigt neben einer grundsätzlich offenen und liberalen Haltung zu diesem Thema auch eine differenzierte Betrachtung konkreter medizinischer Ausgangssituationen (z.B. „Tumorerkrankung ohne kurative Therapieoption“, „Todeswunsch ohne relevante Vorerkrankung“). Eine noch nicht publizierte Abfrage unter Ärzten, mit teils langjähriger Berufserfahrung, ergibt die gleiche Tendenz in der Bewertung der einzelnen Szenarien.
Die Bewertung konkreter Szenarien wirft die Frage auf, ob hier ein Wissensdefizit vorliegt: Die Durchführung eines Assistierten Suizids beispielsweise im Falle einer Tetraparese mit Beatmungspflichtigkeit wird von allen Befragten der Studie als gerechtfertigt wahrgenommen. Jedoch wäre hier die Beendigung der Beatmung unter Maßnahmen der Symptomlinderung im Sinne eines „Sterben zulassen“ der naheliegendste Weg, das Leben auf Wunsch der Betroffenen zu beenden. Ein Suizid wäre nicht erforderlich.
Weitere Szenarien, die eine hohe Zustimmung für den Wunsch nach und die Durchführung von Assistiertem Suizid erfahren, beschreiben Situationen, die häufig mit einem palliativen Behandlungsbedarf einhergehen. Es zeigt sich also eine große Schnittmenge, zwischen der Nachvollziehbarkeit von Suizidwünschen und der Gruppe der Palliativpatient*innen, was die Verantwortung der Palliativmedizin betont, sich an der Diskussion um Suizidassistenz zu beteiligen.
Die Studierenden berichten eine mangelnde Vorbereitung auf die Konfrontation mit Suizidwünschen und damit einhergehend Sorgen und Ängste. Die bewusst gewählte Doppelrolle der Studierenden führt einerseits zu einer höheren emotionalen Einbindung, soll den Studierenden aber auch ein realeres Einfühlen in die Situation ermöglichen, da die Rolle als Familienmitglied ihnen zum derzeitigen Ausbildungsstand vertrauter ist, als die Rolle der/des Behandelnden Durch eine kurze, interaktive und praxisorientierte Lehrintervention gelingt es bereits, diese Ängste bezogen auf die spätere ärztliche Rolle zu adressieren und zu reduzieren, wobei dieser Effekt in der Behandelndenrolle größer ist.
Der Umgang mit Suizidwünschen in der ärztlichen Rolle stellt insofern eine Besonderheit dar, da sich hier durch die Gesetzeslage ein großes Maß an Handlungsfreiheit bietet, welches mit einem ebenso hohen Maß an Verantwortung einhergeht. Anders als bei „klassischen“ medizinischen Maßnahmen ist hier keine Orientierung an den Regeln der Indikationsstellung möglich, maßgeblich ist lediglich der Patient*innenwunsch.
Schlussfolgerung
Trotz zahlreicher Limitationen (kleine Kohorte, freiwillige Teilnahme, kurze Intervention, Begrenzung auf palliativmedizinischen Kontext) legt die vorliegende Evaluation die Vermutung nahe, dass es einen Bedarf in der medizinischen Ausbildung zum Thema Umgang mit Suizidwünschen gibt. Die vorliegende Arbeit beschreibt exemplarisch die Angst vor der Übernahme von Verantwortung und bekräftigt die Frage, ob das Medizinstudium in seiner bisherigen Form auf diese Verantwortung ausreichend vorbereitet [7]. Die internationale Literatur zeigt den Einfluss intrinsischer wie extrinsischer Faktoren (z.B. Lehrinhalte und Setting) auf die Professionelle Identitätsentwicklung [8], so dass die Befähigung zur Übernahme von Verantwortung durch entsprechende Ausbildung helfen kann, Mediziner*innen besser auf den Umgang mit schwierigen Entscheidungen und herausfordernden Behandlungssituationen vorzubereiten.
ORCIDs der Autor*innen
- Alexandra Scherg: [0000-0002-8778-7429]
- Martin Lemos: [0000-0002-0788-2400]
Förderung
Das Projekt ist im Rahmen des Erasmus+ Projektes ELPIS entstanden und wurde aus entsprechenden Fördermitteln (KA220-HED-AF6D681C) finanziert.
Interessenkonflikt
Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
[1] Bundesverfassungsgericht. Urteil vom 26. Februar 2020. Karlsruhe: Bundesverfassungsgericht; 2020. Zugänglich unter/available from: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.html[2] Bundesärztekammer. Berufsrecht. Berlin: Bundesärztekammer. Zugänglich unter/available from: https://www.bundesaerztekammer.de/themen/recht/berufsrecht
[3] Elsner F, Scherg A. QB-13-Workshop München 2023. Über das Sterben reden - Kommunikation ist mehr als nur SPIKES. Z Palliativmed. 2024;25(02):70. DOI: 10.1055/a-2257-8077
[4] Martucci G, Pereira J, Busa C, Csikos A, Franchini L, Elsner F, Raccichini M, Mihailescu-Marin, MM, Mosoiu D, Rubio Bernabé S, Scherg A, Consorti F. Online learning in palliative care education of undergraduate medical students: a realist synthesis. Pall Care Soc Pract. 2023;17. DOI: 10.1177/26323524231218279
[5] Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der Hospizarbeit und Palliativversorgung. Berlin: Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin; 2021. Zugänglich unter/available from: https://www.dgpalliativmedizin.de/images/211213_Broschuere_Suizidassistenz_100dpi.pdf
[6] Raupach T, Schiekirka S, Münscher C, Beißbarth T, Himmel W, Burckhardt G, Pukrop T. Piloting an outcome-based programme evaluation tool in undergraduate medical education. GMS Z Med Ausbild. 2012;29(3):Doc44. DOI: 10.3205/zma000814
[7] Harendza S. Taking responsibility. GMS J Med Educ. 2022;39(2):Doc27. DOI: 10.3205/zma001548
[8] Findyartini A, Greviana N, Felaza E, Fauqi M, Afifah T_Z, Firdausy MA. Professional identity formation of medical students: A mixed-methods study in a hierarchical and collectivist culture. BMC Med Educ. 2022;22(1):443. DOI: 10.1186/s12909-022-03393-9