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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017


Dies ist die deutsche Version des Artikels. Die englische Version finden Sie hier.
Projektbericht
Personalentwicklung

[„Als Assistenzärztin musste ich dann dem Facharzt sagen, er solle vielleicht seine Frage später stellen“: Untersuchung einer didaktischen Rollenumkehr anhand einer durch eine Ärztin in der Weiterbildung durchgeführten Facharztfortbildung]

 Beatrice B. Preti 1,2
Claire P. Browne 3
Michael S. Sanatani 1
Christopher J. Watling 1

1 Western University, Department of Oncology, London (ON), Kanada
2 Emory University, Department of Haematology & Medical Oncology, Atlanta (GA), USA
3 Western University, Schulich School of Medicine & Dentistry, London (ON), Kanada

Zusammenfassung

Hintergrund: Während der ärztlichen Ausbildung werden traditionellerweise Wissen und Fähigkeiten von erfahrenen Ärzt:innen und Fachkräften auf die auszubildenden Ärzt:innen übertragen. Die Ausbildung bietet jedoch auch Gelegenheiten zur didaktischen Rollenumkehr, wo ältere oder erfahrenere Ärzt:innen von jüngeren lernen. Im Gegensatz z.B. zur Luftfahrt, ist dieser Ansatz in der Medizin in seinem didaktischen Potential noch nicht gründlich erforscht.

Zielsetzung: Die Zielsetzung dieser Studie ist es, zu untersuchen, wie Teilnehmende an einer ärztlichen Fortbildung eine didaktische Rollenumkehr erleben. Dies könnte sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis zu Verbesserungen der Zusammenarbeit und des Wissensaustauschs führen.

Projektbeschreibung: Ein:e Ärzt:in im 2. Jahr ihrer Facharztausbildung (Onkologie, „resident“ im kanadischen Ausbildungssystem) führte eine an ihre Ausbilder („consultants“) gerichtete Fortbildung durch. Das Thema der Fortbildung war das Verfassen von schriftlichem Feedback. Acht an der Fortbildung teilnehmende Fachärzt:innen und die vortragende Ärzt:in nahmen danach an halbstrukturierten Interviews teil; die Daten wurden phenomenografisch nach Stenfor-Hayes ausgewertet.

Ergebnisse: Es konnten mehrere Perspektiven identifiziert werden, auf deren Basis die anwesenden Fachärzt:innen und die auszubildende Ärzt:in die Fortbildung bewerteten. Dazu gehörten: Lehrkraft, Workshop-Teilnehmer:in, Unterstützer:in, Kolleg:in, Vorgesetze:r innerhalb der medizinischen Hierarchie (Fachärzt:innen), bzw Vortragende, Untergebene, Forscher:in (vortragende Assistenzärzt:in). Teilnehmende beschrieben auch mehrere gleichzeitig eingenommene Perspektiven. Die Fortbildung führte allseits zu einer klaren Anerkennung und tieferem Verständnis des Arbeitsverhältnisses und der Ausbildungsverantwortung zwischen Lehrkräften und Auszubildenden. Die deutlich unterschiedlichen Positionen in der traditionellen Hierarchie wurden jedoch durchweg gefühlt eingehalten, trotz der umgekehrten Richtung der didaktischen Tätigkeit.

Schlussfolgerung: Fachärzt:innen und auch der/die anwesende Chefärzt:in konnten sich in die Rolle der/des Lernenden hineinversetzen, obwohl sie sich gleichzeitig der Verantwortung und Weisungsbefugtheit gegenüber der auszubildenden Ärzt:in bewusst waren. Diese jedoch tat sich zunächst schwer damit, innerlich die Rolle der Lehrkraft einzunehmen. Im klinischen Alltag gibt es häufig Situationen, in denen Assistenzärzt:innen, PJler, usw Fachärzt:innen oder Chefärzt:innen neue oder zusätzlich Informationen zu ihren Patienten geben, und solche Situationen könnten auch als didaktische Rollenumkehr aufgefasst werden. Falls eine situationsbezogen bewusste didaktische Rollenumkehr zu einer akzeptierten Praxis während der ärztliche Ausbildung werden sollte, könnte dies auch der epistemischen Ungerechtigkeit entgegenwirken, die sonst leicht aufgrund der Differenzen innerhalb der medizinischen Hierarchie auftreten kann und etwaige wichtige Beiträge und Einblicke innerhalb eines Teams unterbinden kann.


Schlüsselwörter

Medizindidaktik, berufsbegleitende Weiterbildung, Rollenumkehr, Phänomenografie

1. Einleitung

Schriftliches Feedback ist ein notwendiger Bestandteil der medizinischen Ausbildung, zur Kompetenzförderung und auch als Dokumentation der vollzogenen Ausbildungsschritte. Die Qualität des Feedbacks ist jedoch oft unterschiedlich, was die Nützlichkeit für Auszubildende negativ beeinflussen kann [1]. Etliche Ansätze zur Verbesserung des schriftlichen Feedback sind bislang erforscht worden; allerdings ist der Erfolg allgemeingesagt eher mittelmäßig, da sich die Umsetzung in die Praxis oder das Aufzeigen konkreter Ergebnisse als schwierig erwiesen haben [2], [3].

Obwohl Feedback im offenen Gespräch am effektivsten ist, steht solch ein Dialog or gegenseitiger Informationsaustausch in einem gewissen Kontrast zur konventionellen Übertragung von Information, Beurteilungen, oder Kompetenzen von erfahreneren oder älteren Ärzt*innen auf jüngere oder noch in der Ausbildung befindliche Ärzt*innen [4], [5]. Es gibt jedoch vereinzelte Situationen, wo eine Umkehr der traditionellen Informations- und Kommunikationsrichtung stattfindet – zum Beispiel Fortbildungen und Forschungsprojekte wo Auszubildende und Ausbilder gemeinsam an der Lösung einer Aufgabe arbeiten [6], oder das sogenannte „umgekehrte Mentoring“, wo Medizinstudierende innerhalb eines Mentorenprogramms ihren Mentor*innen neue Perspektiven oder Einsichten zu ihrer Karriere vermitteln [7]. Beide Situationen machen deutlich, dass ein Perspektivenaustausch für alle Mitglieder eines Teams von Vorteil sein kann, nicht nur was das eigene Lernen angeht, sondern auch für die durch das Team verwirklichte medizinische Pflege. Im Gegensatz dazu steht das Phänomen der „epistemischen Ungerechtigkeit“, das mittlerweile in vielen Studien als negativer Einfluss auf die Zusammenarbeit im klinischen Umfeld belegt ist [8]. Unter epistemischer Ungerechtigkeit wird die (oft unbewusste) Abwertung oder Unterdrückung von Beiträgen oder Kommunikation von Teammitgliedern oder Personen verstanden, von denen aufgrund ihrer niedrigeren Position innerhalb einer Hierarchie oder eines vermeintlichen Kompetenzgradients nicht erwartet wird, dass sie etwas Wertvolles zur Situation beitragen könnten. Die Erfahrung epistemischer Ungerechtigkeit ist eine negative psychologische Erfahrung, zu deren Folgen eine Schwächung des Vertrauensverhältnisses zwischen Ausbilder*innen und Medizinstudierenden gehört. Insbesondere für Studienanfänger kann dies über längere Zeit hinweg zu schwerwiegenden Folgen führen, zum Beispiel zu Demoralisierung, Burnout, reduziertem Engagement und sogar zum Karriereabbruch [8], [9], [10], [11].

Eine situationsbedingte vorübergehende vollständige Rollenumkehr, was Wissen, Einsichten, oder didaktisches Führen angeht (d.h. vom „Anfänger*innen“ zum „Erfahren*innen“), findet man außerhalb der Medizin, zum Beispiel in der Luftfahrt [12]. Im Rahmen des „crew resource management“ werden Weisungsbefugnisse und Autoritätsgefälle bewusst angesprochen und während des Notfalls einer gemeinsamen Nutzung alles verfügbaren Wissen untergeordnet [13].

Während dieser Ansatz sowohl die psychologische Sicherheit (der Lernende fühlt sich frei, zur Diskussion beizutragen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen [14]), als auch einen momentan umgekehrten Wissensgradient anspricht, ist es außerdem notwendig, dass Beiträge des weniger erfahrenen Individuums bewusst als wertvoll anerkannt werden, damit das Wissen oder der Diskussionsbeitrag auch wirklich aufgenommen werden. Wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, kann die optimierte Zusammenarbeit des Teams in stressvollen Situationen zu den bestmöglichen Ergebnissen führen. Entscheidungen mit schwerwiegenden Folgen sind natürlich auch im ärztlichen Beruf anzutreffen, und daher ist es naheliegend, dass bezüglich der Teamarbeit etliche Parallelen zur Luftfahrt zu finden sind [12]. Verbesserte Zusammenarbeit innerhalb eines medizinischen Teams durch bewusste Ausbildung von Kommunikationsfähigkeiten (z.B. Annahme von kritischem Feedback, Ansprechen von Missständen) ist mittlerweile auch ein ausdrückliches Ziel in vielen medizinischen Studiengängen [15], [16].

Am Beispiel des schriftlichen Feedbacks, welches ausbildende Ärzt*innen den Medizinstudierenden oder auszubildenden Ärzt*innen geben, kann eine kommunikative Rollenumkehr im didaktischen Sinne gut untersucht werden. Der oder die Lernende, als Empfänger*in des Feedbacks, könnte den Verfassern des Feedbacks direkt und basierend auf Erfahrung aus erster Hand mitteilen, wie dieses Feedback (oder schriftliche Beurteilungen) verbessert werden könnte. Wright, Mullen und Gardner haben untersucht, wie Mitglieder einer medizinischen Fakultät einen allgemeinen medizindidaktischen Kurs erlebten, der durch Medizinstudenten angeboten wurde [17]. Diesen Ansatz, nach dem Auszubildende ihren Ausbilder*innen medizindidaktische Fähigkeiten vermitteln, wollten wir in dieser Studie weiter untersuchen. Es ist dabei wichtig zu bedenken, dass die hierarchischen Strukturen und unausgesprochenen Umgangsregeln (das sog. „hidden curriculum“) solche Fortbildungen erschweren könnten – Studierende und Studienanfänger*innen könnten sich schwer damit tun, ihren Vorgesetzt*innen Anweisungen zu geben und Ausbilder*innen könnten evtl dem Unterricht wenig Vertrauen entgegenbringen. Sowohl diese Auffassungen, Einstellungen, und Erfahrungen genauer zu untersuchen, also auch konkrete Hindernisse zu identifizieren, die einem solchen Unterricht im Wege stehen, sind Ziele dieser Studie. Wir haben dahingehend eine von einer Assistenzärzt*in in der onkologischen Facharztausbildung („resident“) entworfene und durchgeführte Fortbildung zum Thema Feedback untersucht, mit der Forschungsfrage „Wie erfahren Teilnehmende eine Fortbildung zum Thema Medizindidaktik, die von einer*m Ärzt*in in der Ausbildung gestaltet und durchgeführt wurde?“

2. Methoden

Ein qualitativer Forschungsansatz wurde verfolgt, da es bei der Fragestellung um die Erfahrungen der Studienteilnehmenden ging. Als erkenntnistheoretische Basis wurde der Konstruktivismus gewählt, und die Daten wurden phänomenografisch nach Stenfor-Hayes ausgewertet [18]. Laut konstruktivistischem Erkenntnisverständnis werden Wahrheiten individuell konstruiert; was als Wirklichkeit gilt, wird durch die individuell subjektive Erlebniswelt beeinflusst und mitgestaltet. In der phänomenografischen Analyse werden Erfahrungsberichte von einzelnen Studienteilnehmenden zu einem detaillierten Überblick der diversen Erfahrungen zusammengefügt, wobei individuelle Variationen verdeutlicht und hervorgehoben werden [19], [20]. Dieser Ansatz passte gut zu der Forschungsfrage, bei der es um das Erfassen eines breiten Erfahrungsspektrums der Fortbildungsteilnehmenden und der Vortragenden ging.

2.1. Workshop und Datenerhebung

Die Fortbildungsveranstaltung bestand aus einem zweistündigen Workshop für onkologische Fachärzt*innen an einem akademischen Lehrkrankenhaus in Ontario, Kanada, and dem Autor*innen MS und CJW als Onkolog*innen tätig waren. Autorin BP entwarf und leitete (nach den pädagogischen Prinzipien von Gagne [21]) den Workshop als sie in ihrem 2. Jahr der Facharztausbildung war (5 Jahre nach Abschluss des Basis-Medizinstudiums in Kanada). Nach einem interaktiven Vortrag fanden simulierte Feedback-Szenarien statt, wo ein*e Medizinstudent*in schriftliches Feedback zu einer vom Fachärzt*in beobachteten Patient*innenuntersuchung erhält. Die Fortbildung war für alle Onkolog*innen offen; Teilnahme an der Studie war freiwillig. Rekrutierung geschah durch eine vor der Fortbildung verschickte eMail. Innerhalb weniger Tage nach der Fortbildung nahmen diejenigen Fachärzt*innen, die an der Studie teilnehmen wollten (n=8), an einem Interview teil, in dem sie zu ihren Erfahrungen (Gedanken, Gefühle) während des Workshops befragt wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Das Interview wurde von Autorin CB durchgeführt, die zwar Ärztin, aber noch keine fertig ausgebildete Onkologin war und auch nicht an dem Workshop teilgenommen hatte. Die transkribierten aufgezeichneten Interviews wurden anonymisiert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Ein Teilnehmender (MS) war gleichzeitig auch Mitglied des Forschungsteams und Betreuer von BP während ihres Studiums. BP wurde auch von CB interviewt.

Abbildung 1: Zeitplan

Tabelle 1: Halbstrukturierte Interviewfragen für Fakultätsmitglieder

2.2. Datenanalyse

Nach der Transkribierung der Interviews erfolgte die Kodierung, zunächst induktiv-offen, durch CB. Kategorien der „Erfahrungslandschaft“ wurden danach vom gesamten Forschungsteam auf Basis dieser Kodierung erstellt; als Leitfaden diente die Forschungsfrage, die insbesondere auf Erfahrungen um die Rollenumkehr zwischen Lehrkräften und Lernender (auszubildender Ärzt*in) zielte. Alle Teilnehmende bekamen die Analyse zur Durchsicht und Überprüfung zugeschickt, um sicherzustellen, dass sie ihre Erfahrungen in den erstellten Erfahrungskategorien erfasst sahen. Die Definition der Erfahrungskategorien wurde bis zum Konsens des gesamten Forschungsteams fortgeführt, wobei dies bei BP und MS auch ein autoethnografisches Vorgehen darstellte. Zur etwaigen externen Überprüfung [22] wurden alle Versionen der Analyse aufgezeichnet und aufbewahrt.

Diese Studie wurde von der Ethikkommission der Western University, London, Ontario überprüft und genehmigt.

3. Ergebnisse

3.1. Erfahrungen und Rollen der „Consultants“ (Fachärzt*innen)

„Consultants“ bezeichnet die am Workshop teilnehmenden Fachärzt*innen die an der Ausbildung der „residents“ (entspricht ungefähr den Assistenzärzt*innen im deutschen System) beteiligt und ihnen gegenüber weisungsberechtigt („supervisor“) sind. Sieben verschieden Sichtweisen und Perspektiven konnten identifiziert werden. Die Fachärzt*innen konnten sich in die Situation der Assistenzärzt*in, die den Workshop leitete, hineinversetzen, während sie gleichzeitig andere Perspektiven innehielten, die eher der formellen Hierarchie angepasst waren. Die sieben Erfahrungsperspektiven wurden wie folgt dargestellt:

3.1.1. Sichtweise Nr. 1: Consultant als Lehrkraft/Mentor*in/Coach

Der Workshop wurde als gute Gelegenheit für Ärzt*innen in der Ausbildung angesehen, didaktische Fähigkeiten zu erlangen, Inhalte darzustellen, und das freie Vortragen zu üben. Die Teilnehmenden fanden das Thema interessant, und waren daran interessiert, ihre eigenen Fähigkeiten als Lehrkräfte weiterzuentwickeln. Sie waren motiviert, mehr über Feedback zu lernen und waren sich des eigenen Lernbedarfs bewusst.

Wir reden immer über….das Unterrichten. Aber ich weiß nie, was die Studenten oder auszubildenden Ärzte wirklich von uns haben wollen. Daher denke ich, dass es wirklich hilfreich war, das jemand der noch in der Ausbildung steckt uns das mitteilt. (Teilnehmer*in 2)

Wir müssen oft Feedback geben, und meistens...haben wir zuwenig Zeit, es richtig zu machen. Das ist immer eine Herausforderung. Und daher…war ich eigentlich recht dankbar, dass [Assistenzärztin] diesen schwierigen Aspekt der Beurteilung angesprochen hat, das Verfassen von Feedback. Ich freute mich deshalb auf den Workshop… (Teilnehmer*in 4)

3.1.2. Sichtweise Nr. 2: Consultant als Teilnehmer*in an einer Fortbildung

Teilnehmende waren allgemein von dem Vortragsstil und – inhalt positiv beindruckt. Konstruktiver Feedback wurde jedoch auch gegeben, z.B. bezüglich eines Mangels an Humor oder Ablenkung durch etwas überzogene Beispiele. Aber der Workshop wurde als positiv und effektiv bewertet; Teilnehmende berichteten über Inhalte die als durchaus hilfreich in ihrer Erinnerung geblieben waren. Die vortragende Ärzt*in, die in der Abteilung der anwesenden Fachärzt*innen in Ausbildung stand, wurde als besonders vertrauenswürdig wahrgenommen, was die Akzeptanz des Unterrichts steigerte. Das bestehende kollegiale Verhältnis, und Kenntnis des medizindidaktischen Interesses der vortragenden Ärzt*in, unterstützen zusätzlich das Engagement mit dem Workshop seitens der Fachärzt*innen. Während Teilnehmende grundsätzlich an ähnlichen, von Ärzt*innen in der Ausbildung geleiteten Workshops interessiert waren, hatten einige Teilnnehmende Zweifel, ob Workshops mit ausschließlich medizinisch-wissenschaftlichem Inhalt so auch möglich wären (aufgrund des signifikant unterschiedlichen Fachwissens). Die Glaubwürdigkeit der vortragenden Ärzt*in spielte auch eine Rolle; Teilnehmende waren skeptisch, ob Workshops von Auszubildenden oder Studierende, denen sie weniger vertrauten oder nicht so gut kannten, ähnlich akzeptabel wären.

Ich denke, es war weil es eine Ärztin in der Ausbildung wie [..] war; man kennt sie, man weiß wie sie im Umgang mit uns ist, man kennt ihre Fähigkeiten. Wenn es jemand anderes gewesen wäre, die ich nicht kenne...wahrscheinlich hätte ich dann mehr Bedenken. (Teilnehmer*in 2)

Es wäre wahrscheinlich anders wenn, sagen wir mal, ein gewöhnlicher Assistenzarzt im 5. Jahr [postgraduate year 5=PGY-5] der kein besonderes Interesse an Didaktik oder Pädagogik oder so hat, sagen würde, ich möchte Ihnen etwas über Feedback erzählen. Das wäre dann für mich eine ganz andere Sache. Ich meine, es wäre wohl interessant, aber ich wäre da nicht so zuversichtlich, dass mir da etwas entgegengebracht wird, wodurch ich etwas lernen kann. (Teilnehmer*in 3)

3.1.3. Sichtweise Nr. 3: Consultant als empathische*r Unterstützer*in der Assistenzärzt*in

Teilnehmende hatten Mitgefühl mit der vortragenden Ärzt*in, und für Ärzt*innen in der Ausbildung allgemein, die ihre Vorgesetz*innen unterrichten sollen. Unterstützung durch Ausbild*innen (consultants) während der Vorbereitung war nach Meinung der Workshopteilnehmende zwingend notwendig, obwohl das in dieser Studie nicht der Fall war. Teilnehmende bemerkten jedoch, wie die vortragende Ärzt*in anscheinend während des Workshops hin und wieder z.B. durch Blickkontakt, Nicken usw. Unterstützung von einer*m anwesenden Mentor*in im Publikum bekam. Etliche Teilnehmende zeigten sich besorgt um die vortragende Ärzt*in, da sie entweder gehört hatten, oder sich vorstellen konnten, dass dieser Workshop eine Herausforderung darstelle. Gleichzeitig waren sie jedoch zufrieden, dass die Assistenzärzt*in die Gelegenheit gehabt hatte, ihr Wissen so gut vortragen zu können.

Die eine Sache…die mich etwas unruhig machte, wissen Sie, wegen jemand der noch in der Ausbildung ist....so ein Seminar kann ziemlich einschüchternd sein, da man ja mit Fachärzten zu tun hat, mit denen man schon gearbeitet hat... (Teilnehmer*in 4)

Ich glaube, meine Erwartungen und meine Motivation, an dem Workshop teilzunehmen, gehen letztendlich darauf zurück, dass ich sie kenne und sie eine unserer „Residents“ ist. Ich habe auch einfach das Gefühl, dass ich sie unterstützen möchte; ich weiß wie sehr ihr das Unterrichten am Herzen liegt. (Teilnehmer*in 7)

3.1.4. Sichtweise Nr. 4: Consultant als Forscher*in

Teilnehmende berichteten, dass sie sowohl während des Workshops als auch danach darüber reflektiert hätten, was sie in dem Studieninterview sagen sollten. Sie stellten fest, dass die Effektivität und allgemeine Erfahrung des Workshops davon abhängig sein würden, wer der Vortragende war – und wer im Publikum war, und was die äußeren Rahmenbedingungen sein würden. Nicht jede/r Auszubildende/r würde über alle Themen und mit jeder Art von Publikum einen Workshop halten können (bezieht sich wieder auf das Thema der Glaubwürdigkeit). Ein Vergleich zu Erfahrungsberichten von Patient*innen wurde konstatiert: wenn ein*e Assistenzärzt*in über Erfahrungen mit Unterricht oder Feedback berichtet, sei das ähnlich wie Erfahrungsberichte von Patient*innen im klinischen Rahmen – im Gegensatz zu einem Themenkreis wo Fachärzt*innen deutlich mehr wissen und als Expert*innen angesehen werden.

Schauen wir mal auf Situation mit klinischen Studien, Patientenerfahrungen, die übrigens, finde ich, meistens nicht sehr gut erfasst werden. Die werden weitgehen aus der Sicht des Forschungsteams untersucht, und nicht wie etwas, was für Patienten wichtig ist. Und...immer dieses Thema „Ergebnisse“...wenn man sich mal wirklich die Zeit nimmt, sich mit denjenigen zu unterhalten, die die Behandlungen erfahren, dann bekommt man die wertvollsten Einblicke, nicht wahr? Und genauso ist es, wenn es sich um Feedback dreht. (Teilnehmer*in 6)

3.1.5. Sichtweise Nr. 5: Consultant als Mitglied einer Hierarchie im klinischen Ausbildungskontext

Etliche Consultants beschrieben die vortragende Assistenzärzt*in schon eher als angehende Kolleg*in als eine Studienanfänger*in, und diese Sichtweise beeinflusste ihre Erfahrung des Workshops als „von auszubildenden Ärzt*innen geleitet“. Die Meinungen der Teilnehmenden über den Workshop basierten vornehmlich auf dem Eindruck, den sie allgemein von der vortragenden Ärzt*in und deren Kompetenz und Glaubwürdigkeit hatten.

Meine Erwartungen waren ziemlich hoch, und ich wusste, wie wichtig ihr dies war. Ich wusste, dass sie wahrscheinlich sehr viel Energie und Gedanken in diesen Workshop gesteckt hat. Daher hatte ich sehr hohe Erwartungen. (Teilnehmer*in 6)

Teilnehmende vermuteten, dass einige Consultants (Fachärzt*innen) sich eventuell etwas zieren würden, sich von jemand unterrichten zulassen, denen gegenüber sie weisungsberechtigt sind oder denen sie nicht stark vertrauen. Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit wurden von vielen Teilnehmende erwähnt, und diese Aspekte erschienen ihnen abhängig von offensichtlichem Interesse am Thema Didaktik, spezifischer Ausbildung in Pädagogik, und persönlich beobachteten Fähigkeiten.

Obwohl die Richtung, in der Wissen während des Workshops übertragen wurde, gegenüber dem klinischen Alltag umgekehrt war (d.h. Junior → Senior), wurde die empfundene Stellung innerhalb der verantwortungsbedingten klinischen Hierarchie beibehalten. In dieser Sichtweise erschien es den teilnehmenden Fachärzt*innen ähnlich, als würde die vortragende Assistenzärzt*in ihnen z.B. eine Patient*innenanamnese vortragen – über eine*n Patient*in über den sie in dem Augenblick (noch) viel weniger wissen als die ihnen innerhalb der Ausbildungshierarchie niedriger gestellte Ärzt*in. Dabei waren sich die Teilnehmenden der hierarchischen Kultur durchaus bewusst, und es wurde auch hin und wieder vorgeschlagen, zu versuchen dieser im medizindidaktischen Kontext etwas entgegenzuwirken, um freien Gedankenaustausch zu ermöglichen. Aber Consultants berichteten durchweg, nach dem Workshop ein tieferes Verständnis der Machtverhältnisse („power difference“) zwischen Ärzt*innen innerhalb der klinischen Strukturen erlangt zu haben, vor allem auch bezüglich der Auswirkungen auf die medizinische Ausbildung zum Fachärzt*in.

Bis unsere Kultur sich ändert, bis die Machtverhältnisse sich ändern, die Hierarchie...die Tatsache dass, wissen Sie, die lehrenden Ärzte die Bewertungen ausfüllen...sie sind Teil des Vorgangs, der bestimmt, wer durchkommt und wer nicht...das spielt immernoch in dieser Kultur eine große Rolle, nicht wahr? Also bis das sich ändert, wird sich auch das Hierarchie-Denken nicht ändern. (Teilnehmer*in 6)

3.1.6. Sichtweise Nr. 6: Consultant als Kolleg*in anderer Teilnehmenden

Prä-existierende kollegiale Beziehungen beeinflussten die Interpretation von Handlungen, welche sich auf die Stimmung im Raum auswirkten. Zum Beispiel wurden Unterbrechungen oder Kommentare von Kolleg*innen zu den Zeitpunkten als hilfreich oder stimmungsfördernd erlebt, wenn der Vortrag etwas zu trocken erschien.

Ich kenne manche meiner Kollegen, ich weiß, wie sie gerne miteinander umgehen. Und ich weiß, dass ein reiner Vortrag wahrscheinlich nicht so gut rüberkommen würde....daher wurde es mir gelegentlich etwas ungemütlich. Wie lange wird das noch so weitergehen, bis jemand irgendetwas sagt? (Teilnehmer*in 8)

Mehrere Unterrichtsansätze gleichzeitig würden nach Ansicht der Teilnehmenden evtl. zu mehr Engagement führen:

Ich glaube nicht, dass man den Workshop alleine von einem Studierenden vorgetragen werden sollte. Es sollten auch Lehrkräfte daran teilnehmen. Das gilt aber auch für Workshops die nur von der Fakultät geleitet werden; das würde auch nicht so gut gehen. Idealerweise hat man eine Kombination von verschiedenen Stufen von Auszubildenden und Lehrkräften....dann hätte man diese wichtige Verknüpfung von Erfahrung und Freude am Lernen. (Teilnehmer*in 2)

3.1.7. Sichtweise Nr. 7: Consultant erlebt mehrere Perspektiven gleichzeitig

Teilnehmenden berichteten aber auch von innerem Konflikt, dessen sie sich während des Workshops bewusst wurden. Mehrere Sichtweisen traten gleichzeitig auf, zum Beispiel das Mitgefühl mit der Assistenzärzt*in und Interesse am Inhalt des Vortrags. Ein anderes Beispiel waren die miteinander im Konflikt stehenden Gefühle von Bewunderung einerseits und Sorge/Schuldegefühle bezüglich der Situation, in der sich die Ärzt*in befand andererseits. Consultants beschrieben, wie sie auch zwischen einer eher passiven Teilnehmenden-Perspektive und einer empathisch bestimmten unterstützenden Rolle hin- und her wechselten. Die anwesenden Fachärzt*innen fühlten sich sowohl als Lernende als auch als Bewerter*innen der vortragenden Assistenzärzt*in. Das Wechseln zwischen diesen Rollen geschah auch bewusst, zum Beispiel in Augenblicken, wo eine bestimmte Perspektive als unbequem erlebt wurde. Das Ausarbeiten der verschiedenen, miteinander in Konflikt stehen Sichtweisen wurde teilweise als verunsichernd empfunden.

Tja, ich war…mir meiner eigenen Ideen sehr bewusst. Also reagierte ich natürlich sofort, aus der Sicht der Vortragenden, oje, nun sagt jemand im Publikum etwas. Aber dann habe ich das sofort bemerkt und sagte mir, nein, ich werde jetzt einfach neutral bleiben und den Wunsch unterdrücken, dass dieser Kollege jetzt, wissen Sie, einfach mal den Mund hält, um es mal krass auszudrücken. Und das war dann auch letztendlich sehr gut, denn die andere Seite in mir, das Publikumsmitglied, wollte eigentlich sogar diese Unterbrechung ein bisschen, eine kleine Pause von dem eher einseitigen Vortragsstil, und das bisschen Dialog und Entspannung waren mir eigentlich recht willkommen. (Teilnehmer*in 7)

3.2. Erfahrungen und Rollen der Assistenzärzt*in („resident“)

Die den Workshop leitende, sich noch in der Weiterbildung befindliche Ärzt*in beschrieb vier unterschiedliche Perspektiven:

3.2.1. Sichtweise Nr. 1: Assistenzärzt*in („resident“) als Vortragende/Lehrende

Die mit dem Workshop beauftragte Ärzt*in in der Weiterbildung beschrieb die Intensität, mit der sie sich auf den Workshop vorbereitet hatte. Im Rückblick war es ihr klar, dass dies eine Reaktion auf die ihr unbequeme Vorstellung, ihre eigenen Lehrer*innen unterrichten zu müssen, war. Die Vorbereitung und der Entwurf des Seminars waren dahingehend ausgerichtet, möglichst viel Kontrolle über den Ablauf zu behalten; ein Vortragsstil mit streng geregelten Frage-und-Antwort-Abschnitten resultierte daraus. Dies sollte Autorität vermitteln und die Richtungsumkehr des Informationsflusses unterstützen. Diese sehr kontrollierte und kontrollierende Vortragsweise wirkte ihrer aufkeimenden Nervosität, Unsicherheit, und Sorge entgegen. Die Intensität der Vorbereitung und Vermeidung jeglicher Spontanität waren anscheinend auf Nervosität und Unbehagen zurückzuführen.

Ich denke dass der freie Vortrag wahrscheinlich am gründlichsten vorbereitet wurde, weil ich wusste, dass ich den Vortrag halten würde, und ich in dem Zeitraum das sagen musste, was ich rüberkriegen wollte. Was den zweiten Teil angeht, den interaktiven Workshop selber...den habe ich viel weniger vorbereitet. Das war etwas weniger Arbeit, weil ich mich mit so etwas besser auskannte.

3.2.2. Sichtweise Nr 2: Untergeordnete in einer Hierarchie

Die Ärzt*in in der Weiterbildung beschrieb wiederholt Sorgen und Unsicherheiten bezüglich des Unterrichts, den sie ihren Ausbilder*innen geben sollte. Consultants wurden Autoritätsfiguren gleichgesetzt, und sie war darum besorgt, deren Erwartungen gerecht zu werden – trotz der Tatsache, dass dieses Workshopformat neu war und es daher gar keinen existierenden Maßstab gab, der zu Erwartungen hätte führen können. Sie machte sich auch über ihre Glaubwürdigkeit Sorgen, und wählte daher bewusst ein Thema, bei dem sie kompetent erscheinen würde. Der Workshopinhalt, wie sie öfters während des Vortrags hervorhob, beruhte auch nicht nur ausschließlich auf ihren eigenen Vorstellungen und Ansichten, sondern auf den gesammelten Erfahrungen von mehreren Ärzt*innen in der Weiterbildung. Apropos Erwartungen: die vortragende Ärzt*in hatte fest mit negativen Reaktionen auf ihren Unterricht gerechnet, und war völlig überrascht, dass die Bewertungen durch Teilnehmer*innen mit mehr Unterrichtserfahrung so positiv und unterstützend ausfielen.

Also, die Tatsache dass es eine Fakultätsfortbildung war, und dass Lehrkräfte da sein würden, die ich kenne. Und dass ich weiterhin mit ihnen arbeiten werde und wo ich dachte, dass sie mich recht streng beurteilen würden...dass alles gab mir definitiv das Gefühl, dass ich mich hier ordentlich anstrengen sollte. Im Vergleich zu einem Seminar für neue residents, das ich heute gehalten habe. Da gibt es weniger Urteile, und da fühle ich mich eher am Platz als vor einer Gruppe meiner Vorgesetzten...

3.2.3. Sichtweise Nr. 3: Lernende in der Weiterbildung

Die vortragende Ärzt*in fühlte sich eher wie bei einer Aufführung; auch während der Vorbereitung auf das Seminar erwähnte sie häufig die zu erfüllenden Erwartungen ihrer Ausbilder. Es wurde auch deutlich, dass ihr Verhältnis zu den Teilnehmenden individuell unterschiedlich war, was die Sorgen um das Vortragen des Workshops differenziert beeinflusste.

Also was mich mehr als alles andere störte, war der Gedanke, dass ich mich vor allen Teilnehmern blamieren könnte...also im 5. Ausbildungsjahr fängt man an, nach Weiterbildungen und Stellen Ausschau zu halten, und den Ruf, den man hat, ist sehr wichtig. Man kommt nicht mit viel Drittmittelfinanzierung an, man hat noch nicht viel veröffentlicht, man ist eher ein Niemand, das einzige was man hat sind Potential und Ruf. Und sich dann in so eine Situation zu begeben….heißt, sich sehr verletzlich zu machen.

3.2.4. Sichtweise Nr. 4: Forscher*in

Die Ärzt*in in der Weiterbildung war sich auch mehrerer gleichzeitig geltenden Sichtweisen bewusst – zum Beispiel die Gleichzeitigkeit des vorgetragenen Workshops, der von den anwesenden Fakultätsmitglieder*innen bewertet werden würde, und dem eigenen Interesse an der Forschungsfrage, wie dies nun seitens der Teilnehmenden erlebt würde.

Und…Ich muss einen guten Vortrag halten, sonst liegt das Problem eindeutig bei mir und nicht bei dem Unterrichtsformat, also muss ich wirklich mein Bestes geben, und die Leute nicht enttäuschen.

3.3. Lernerfolge

Obwohl es nicht das primäre Ziel dieser Studie war, gilt dennoch festzuhalten, dass die Teilnehmenden etliche wichtige gelernte Inhalte wiedergeben konnten, was darauf hindeutet, dass der Workshop effektiv war. Consultants beschrieben in den Interviews mehrere neu gelernte Angehensweisen, was das Verfassen von Feedback angeht. Bewusstere Wortwahl und der Blick auf die Offenheit der Ärzt*innnen in Weiterbildung für Feedback in einem spezifischen Augenblick waren zum Beispiel Workshopinhalte, die von mehreren Teilnehmenden als nützliche Tipps wahrgenommen wurden. Vor allem ältere Teilnehmenden waren an den Feedback-Erfahrungen der Ärztin in der Weiterbildung interessiert, da sie selber in der eigenen Ausbildung nicht die Art von Feedback bekommen hatten, die sie nun geben sollten.

Dies ist eine ganz neue Welt für uns alle, da die meisten von uns nie von unseren Ausbildern damals Feedback bekommen haben, nachdem wir im klinischen Alltag beobachtet wurden. Also was jemand im Feedback nun hören möchte und was nicht – wir können uns als Ausbilder nicht in deren Position versetzen, da wir selber das nie erlebt haben. Also wäre ein Workshop von einem Mitglied der Fakultät nicht vergleichbar mit einem Vortrag von einer Ärztin, die sozusagen in dieser CBD – Welt [„Competence by Design“= kompetenzbasierte Weiterbildung in Kanada ] aufgewachsen ist“. (Teilnehmer*in 3)

4. Diskussion

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass diese Studie die Erfahrungen von Teilnehmenden an einem Workshop untersucht hat, in dem mittels einer Rollenumkehr eine Fortbildung zum Verfassen von Feedback von einer Ärztin in der Weiterbildung gegeben wurde. Die an dem Workshop teilnehmenden Fachärzt*innen waren für den Unterricht durch die ihnen untergebene und weniger erfahrene Ärzt*in offen, wie die durchweg positive Bewertung des Seminars und die Wahrnehmung, dass der Vortrag didaktisch effektiv war, belegen.

Angesichts der etablierten hierarchischen Strukturen, Erwartungen, und dem gewöhnlichen Umgangsstil im klinischen Alltag [23], gab es im Vorfeld Bedenken, dass solche Faktoren dem Lernen im Weg stehen könnten und ein unüberwindbares Hindernis sein könnten. Der Erfolg des Workshops weist jedoch darauf hin, dass die „didaktische Rollenumkehr“ von Lehrkräften, zumindest in einem bestimmten Kontext, akzeptiert und sogar begrüßt werden kann. Teilnehmende hätten theoretisch Bedenken darüber haben können, von einer sehr am Anfang der Ausbildung stehenden Ärzt*in über eine zentrale Lehrtätigkeit (das Verfassen und Geben von Feedback) unterrichtet zu werden, da sie dies womöglich als Bedrohung ihrer professionellen Identität als Lehrkraft empfinden könnten. Tatsächlich jedoch wurde der Unterricht positiv erlebt, und mit Patientenberichten bei Tagungen und Kongressen verglichen.

Mehrere Vergleiche zwischen Lehrveranstaltungen durch Studierende, und Patient*innen als Ausbilder*innen wurden von Teilnehmenden konstatiert. Dieser Vergleich zwischen Patient*innen und Studierenden kann evtl auch mit den existierenden hierarchischem Denken in Verbindung gebracht werden, wo Fachärzt*innen Feedback über ihre Praxis bekommen können, aber dennoch unverändert die Rolle des*der Ärzt*in innehalten. Aber so wie die zunehmende Patient*innenbeteiligung an Entscheidungen („shared decision-making“), könnte das Einführen eines dialogbasierten Perspektivenaustauschs zwischen Lehrkräften und Studierenden die medizinische Weiterbildung grundlegend verändern. Im „Shared Decision-making“ tragen Ärzt*innen ihr Fachwissen und ihre Kenntnis der Behandlungsmethoden, und Patient*innen ihre Prioritäten und Sichtweisen zum Entscheidungsprozess bei [24]. Unsere Studie weckt Hoffnung, dass in der Medizindidaktik ein ähnliches Teilen der Rollen möglich sein kann.

Erfahrene Ausbilder*innen wissen, wie allgemein Fähigkeiten am Besten entwickelt werden, und Studierende könnten frische Ansätze beitragen, wie die Ausbildungsstrategien im heutigen Kontext umgesetzt werden könnten. Solch ein Austausch setzt jedoch Mut und Offenheit voraus. Was dieses Thema angeht, so berichtete die vortragende Assistenzärzt*in von erheblichen Sorgen und möglichen negativen Folgen des Workshops, derer sie sich bewusst war – und dennoch war es ihr möglich, diese Sorgen zu überwinden und außerhalb ihrer konventionellen Rolle als Lernende und Untergebene, einen effektiven und positiv bewerteten Workshop zu leiten. Mit anderen Worten war es der Studierenden möglich, trotz vermeintlichem Risiko die Rollenumkehr zu vollziehen. Der Druck der medizinischen Hierarchie und der konventionellen sozialen Struktur blieb jedoch bestehen und war aus den Reflektionen und Interviews aller Teilnehmenden ersichtlich.

Eine Beschränkung der allgemeinen Aussagekraft unserer Studie stellt die Tatsache dar, dass der Workshop nur einmal und an einer einzigen Fakultät gehalten wurde. Die Offenheit der Lehrkräfte, von ihren eigenen Studierenden unterrichtet zu werden, hängt wahrscheinlich eng mit den Umgangsformen innerhalb der Fakultät zusammen, und könnte sogar von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich sein. Auch werden verschiedene Ärzt*innen in der Weiterbildung oder Studierenden sich voneinander in ihrem psychologischen Sicherheitsgefühl unterscheiden, auch wenn sie mit derselben Gruppe von Fachärzt*innen sprechen. Dies hängt von der Persönlichkeitsstruktur der Auszubildenden, und ihren vorausgehenden Erfahrungen ab. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass die Erfahrungsperspektiven, wie sie in unserer Studie belegt wurden, auch unter anderen Umständen oder mit anderen Teilnehmer*innen in Erscheinung treten könnten. Weitere Forschungsaktivitäten, die diese wesentliche Erfahrungstypologie weiter untersuchen oder bestätigen, sind empfehlenswert. Wir hoffen, dass Fortbildungen für Lehrkräfte durch Studierende, basierend auf der sehr positiv erlebten Rollenumkehr in unserem Workshop über Feedback, weiter entwickelt werden. Als Empfänger*innen der Ausbildung sehen wir Studierende und Ärzt*innen in der Weiterbildung durchaus als qualifiziert an, Beiträge zur Verbesserung der didaktischen Praxis zu bringen.

5. Schlussfolgerung

Wir präsentieren das Ergebnis einer Studie, in der ein Workshop über das Verfassen von Feedback von eine*r Ärzt*in in der Weiterbildung entworfen und geleitet wurde. Der Workshop wurde von den Teilnehmenden als positiv bewertet, und die anwesenden Fachärzt*innen konnten sich gleichzeitig als Lernende und als Vorgesetzte erleben. Es war für die vortragende Ärzt*in schwieriger, ihre Bedenken zu überwinden und sich selbst hauptsächlich als Lehrkraft zu sehen. Daraus ergibt sich, dass hierarchiebedingte Sorgen und Bedenken direkt angesprochen werden müssen, um einen Informationsaustausch effektiv zu ermöglichen – sowohl im klinischen Alltag, in Situationen wo zum Beispiel Lernende anfangs mehr über ihre Patient*innen wissen als ihre Vorgesetzen, als auch im Unterricht. Wir hoffen, das diese Studie einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem solchen freien Dialog darstellt.

Anmerkung

Da das kanadische medizinische Bildungssystem sich erheblich von dem deutschen System unterscheidet, sind viele Rollen nicht direkt vergleichbar, zum Beispiel „resident“ und „Ärztin in der Weiterbildung“, obwohl sie sich grundsätzlich ähnlich sind.

ORCIDs der Autor*innen

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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