Das a.l.s.o.b.-Projekt: Veränderung von Stress, Befindlichkeit, Verbundenheit und ästhetischem Erleben nach studentisch begleiteten kunstbasierten online-Gruppen während der Covid-19-Pandemie
Corinne Roy 1Hildrun Rolff 1
Eva Paul 1
Anne Wörner 1
Sabine C. Koch 1,2,3,4
1 Fachbereich Künstlerische Therapien und Therapiewissenschaft, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter, Deutschland
2 Institut für Künstlerische Therapien (RIArT), Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter, Deutschland
3 Fachbereich Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwissenschaften, SRH Hochschule Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
4 Fachbereich Bildende Kunst und Musik, CAMTRU, University of Melbourne, Melbourne, Australien
Zusammenfassung
Viele Menschen erlebten in der Corona-Pandemie Stress und Isolation. Ziel dieser Studie, die unter den Kontaktbeschränkungen des ersten Halbjahres 2021 stattfand, war es, die Wirkung von studentischer kunstbasierter Online-Begleitung für Teilnehmende auf Stress, Wohlbefinden, ästhetischem Erleben und Verbundenheit zu untersuchen. An der einarmigen Studie mit Prätest-/Posttest-Design nahmen N=72 Personen teil, die Selbstberichtsfragebögen ausfüllten. Die Ergebnisse der t-Teststatistik zeigten, dass sich auf allen Zielvariablen die Posttestwerte im Vergleich zu den Prätestwerten signifikant verbessert hatten. Kunstbasierte Online-Begleitung könnte dazu beitragen, Stress zu reduzieren, Wohlbefinden zu steigern, ästhetisches Erleben zu verbessern und eine erlebe Verbundenheit unter den Teilnehmenden herzustellen. Wichtige Grenzen der Studie sind die fehlende Kontrollgruppe und eine Stichprobenverzerrung durch eine hohe Zahl an künstlerisch vorerfahrenen Proband:innen (87%). Eine Studie mit Kontrollgruppe und eine Ausweitung auf andere Zielgruppen könnten nächste Schritte sein.
Schlüsselwörter
Künstlerische Intervention, Kunsttherapie, Online-Intervention, Prätest-/Posttest-Design, Stress, Befindlichkeit, Verbundenheit, ästhetisches Erleben
Einleitung
Die Covid-19-Pandemie erforderte eine plötzliche Anpassung an eine Online-Kommunikation, auch für die kunsttherapeutischen Studiengängen der Alanus Hochschule, die sich im ersten Lockdown 2020 ad hoc mit sogenannten „a.l.s.o.b.-Gruppen“ zusammentaten und im zweiten Lockdown 2021 diese Studie durchführten. Der Name a.l.s.o.b. entstand aus der Vorstellung „als ob wir im Atelier wären…“.
Die gemeinsame künstlerische Erfahrung zeigte sich innerhalb Kürze laut Teilnehmenden als geschätzte Stärkung, als Selbstheilungsmittel und als kommunikationsstiftender Ort in den Wochen der Isolation. Die positive Erfahrung der Teilnehmenden führte zu dem Bedürfnis, auch öffentliche Angebote über social-media und die Homepage aus der Hochschule heraus zu machen.
Auch weltweit konnten Kunsttherapeut:innen nicht mehr in gewohnter Weise praktizieren und standen vor der Wahl ihre Tätigkeit auszusetzen oder sich mit Online-Therapie auseinanderzusetzen. Gleichzeitig wurde absehbar, dass der Bedarf an Therapie steigen würde, da in der durch den Lockdown isolierten Bevölkerung eine Zunahme an psychischen Beeinträchtigungen durch Ängste und Stress zu erwarten war [1]. Von daher waren Angebote wichtig, die durch künstlerische Begleitung mit Interventionen salutogenetisch und präventiv gegen Ängste und Stress wirksam sein können. Für die Psychotherapie scheint es derzeit noch problematisch explizit therapeutische Interventionen ausschließlich Online durchzuführen, da „der vollständige Eindruck im unmittelbaren Gegenüber fehlt“ [2]. Das und die Schwierigkeiten Klient:innen in Krisen aus der Ferne zu unterstützen, ist auch für die Kunsttherapie relevant. Dagegen stehen die Vorteile der Online-Therapie, die große räumliche Distanzen überbrückt und von Klient:innen und Therapeut:innen mittlerweile gut akzeptiert wird [3]. Das hier beschriebene Online-Angebot ist salutogenetisch-präventiv konzipiert, da 2021 noch keine ausreichende Evidenz für von Kunsttherapeut:innen durchgeführten Online-Begleitungen oder -Therapien vorlag.
Im Herbst 2019 wurde der Health Evidence Report der WHO [4] veröffentlicht, der mit viel Evidenz untermauerte, dass Künstlerisches Tun die Resilienz stärkt, entlastend und stressmindernd wirkt. Kunst zu schaffen gibt ein Gefühl der Kontrolle zurück, neue Perspektiven, Verbindung und Kommunikation, resümiert der US-amerikanische Kunsttherapeut Jordan Potash bereits wenige Wochen nach Pandemie-Beginn [5].
Da Kunsttherapie von der lebendigen Interaktion lebt, ist eine gewisse Skepsis unter Kunsttherapeut:innen gegenüber den durch ein Online-Setting doch sehr beschnittenen Interaktions-Möglichkeiten nicht verwunderlich. Choudry und Keane präsentierten bereits 2020 eine Umfrage, die sehr schnell nach Beginn des Lockdown unter 623 Praktiker:innen und Studierenden der Kunsttherapie in den USA durchgeführt wurde und zeigt, dass 76% während der Krise mit Teletherapie immer besser zurechtkamen und 27% therapeutische Video-Sessions schon im Mai 2020 nutzten [6].
Aus anderen Krisen (z.B. Ebola, Erdbeben, Krieg) stehen Studiendaten zu kunsttherapeutischen Faktoren zur Verfügung, aus denen laut Havsteen-Franklin [7] sieben wichtige Faktoren zur Krisenbewältigung systematisch herausgelesen werden können. Diese sind:
- ein sicherer Ort,
- die Konzentration auf Stärken und Schutzfaktoren,
- die Entwicklung psychosozialer Kompetenzen zur Unterstützung von Peers (Kolleg: innen),
- Ausdruck und die Verarbeitung von Emotionen,
- Erkennen und Benennen der Auswirkungen der Krise
- die Anwendung eines integrativen kreativen Ansatzes
- kulturelle und organisatorische Sensibilität.
Eine dem a.l.s.o.b.-Setting ähnliche Studie von Biro-Hannah zur Online-Therapie mit 6 Proband:innen zeigt, dass nach einem mehrmonatigen wöchentlichen Gruppenangebot in einem frei geäußerten Feedback die genannten positiven Aspekte von Online-Therapie sehr deutlich die negativen aufwogen [8]. Auf die Frage „Wie hilfreich waren die Workshops für Sie?“ waren bei Biro-Hannah [8] geäußerte Gefühle „Glück, Freude, Erfüllung, Vollendung, Gelassenheit, Zufriedenheit, Verlust, Freiheit, Entspannung, Vergnügen, Frieden, Aufregung, Ehrfurcht, Liebe und Traurigkeit.“ Wobei die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen auch negative Gefühle äußern zu können auch positiv bewertet wurde. Alle Befragten äußerten ihre Dankbarkeit und den Wunsch, weiter künstlerische Workshops fortzusetzen.
Die Studie von Tucker et al., die auch Isolationsbedingungen der Corona-Pandemie thematisiert, zeigt, dass auf digitalem Weg ein Engagement in Kunst- und Peer-Support-Gemeinschaften erleichtert, und sich Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit dadurch einstellen können. Auch Gefühle der Verbundenheit im Online-Raum entstehen und können sich bis in den Alltag auswirken [9]. Ganter-Argast & Bocksch konstatieren schon 2023 einen deutlichen Anstieg der Veröffentlichungen zu onlinebasierter Kunsttherapie. Ende 2024 können Oepen et al. 11 Studien im Zeitraum 2021–2024 identifizieren, die künstlerische Interventionen und Aktivitäten im Online-Raum mit validierten empirischen Methoden untersuchen [10].
Mitte 2021 lagen bereits konkrete technische Empfehlungen zu Online-Kunsttherapie vor, die sich mit unseren Erfahrungen gut deckten, wie z.B. benutze eine Online-Plattform „with all the bells and whistles“ [11] („mit allem drum und dran“, Übersetzung der Autor:innen, d.h. mit Chatfunktion, Breakout-sessions, Umfragefunktion etc.); außerdem verlängerte die Zeit, um Gemeinschaft bilden zu können, dafür darf die kreative Technik einfacher sein [11]. Außer Zoom (https://zoom.us) wurden in unserer Studie weitere Tools genutzt, z.B. das Whiteboard Flinga (https://edu.flinga.fi/). Hierüber ist ein Teilen der eigenen Werke möglich, ein Vorteil des Digitalen ohne die Kontrolle darüber abzugeben [12].
Unsere Studie greift diese Überlegungen auf, und soll folgende Fragestellung beantworten: Können von Studierenden und Alumni Online durchgeführte künstlerische Angebote hochschulexternen Teilnehmenden helfen, Stress zu reduzieren, Wohlbefinden zu steigern und sich besser in Beziehung zu fühlen?
Die zu prüfenden Hypothesen lauteten:
Die Teilnahme an Online Kunsttherapie-Sozialkunst-Angeboten hilft den Teilnehmenden,
H1: das Stresserleben zu mindern, sowohl kurzfristig nach der künstlerischen Intervention auf einer Skala von 1–10 (H1a), als auch langfristig im Perceived Stress Questionnaire 20 (PSQ-20) (letzte vier Wochen; H1b) [13]
H2: die Befindlichkeit/ das Wohlbefinden zu steigern (H2a kurzfristig durch den Heidelberger State Inventory 24 (HSI-24) [14] und H2b langfristig durch den World Health Organization-Five Well-Being Index (WHO-5) [15])
H3: das Verbundenheitsgefühl zu steigern (auf einer sechsstufigen Skala von –3 bis +3)
H4: das ästhetische Erleben zu steigern (erhoben mit dem Wirkfaktorenfragebogen Active Factors of Creative Arts Therapies (AF-CAT) [16]). Das ästhetische Erleben wird als Moderator des Gesundheitsgefühls betrachtet und sollte sich durch die Intervention auch steigern. Ästhetisches Erleben ist eine Erfahrung, die spezifisch durch künstlerische Interventionen erlebt werden kann, deshalb sollte dieses Erfahrungsfeld hier durch einen hierauf bezogenen Fragebogen untersucht werden. Der AF-CAT-Fragebogen wurde hierfür um Fragen zur Verbundenheit ergänzt, da diese 2020 in der Erprobungsphase des Online-Settings als bedeutsam identifiziert wurden.
Methode
Stichprobe
Die Anleiter: innen der untersuchten Online-Gruppen waren Studierende und Alumni des BA-Studiengangs Kunsttherapie-Sozialkunst, die sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hatten und ein- bis mehrjährige Erfahrung in künstlerischer Begleitung hatten. Sie wurden von den Lehrenden des Studiengangs (die Autorinnen) in den Bereichen Organisation von Online-Gruppen, Planung einer Reihe von künstlerischen Übungen mit salutogenetischer Qualität, Kommunikation und Gesprächsführung über das Online-Medium, technische Handhabung verschiedener Funktionen des Online-Mediums (hier Zoom) ausgebildet. Dies befähigte sie, als Zweier- oder Dreier-Teams 5–6 Gruppenstunden für 5–8 externe Teilnehmende zu planen und unter regelmäßiger Supervision selbstständig anzuleiten.
Es wurden 120 Teilnehmende über verschiedene Kanäle rekrutiert: Mit Flyern über Social Media und private Netzwerke, über den Hochschulverteiler und externe Kooperationspartner, wie poststationäre Patient:innen-Selbsthilfegruppen und Kliniken. In jedem Fall meldeten sie sich freiwillig und konnten sich einem regelmäßigen Termin ihrer Wahl für 5 Sitzungen zuordnen (Zeitraum: 10.5.2021–12.7.2021). Die Proband:innen wurden über Ziele und Ablauf der Studie, Datenschutz und anonymisierter Datennutzung in der „Probandeninformation und Einverständniserklärung“ detailliert informiert, konnten Fragen dazu stellen und ihr Einverständnis geben. Es konnten N=72 in die Auswertung inkludiert werden, unvollständige Datensätze wurden nicht berücksichtigt. 48 Teilnehmende mussten exkludiert werden, davon nahmen 23 an 3 oder weniger Sitzungen teil, bei einer Teilnehmenden fehlte die Einverständniserklärung und die soziodemographische Befragung, bei 5 Teilnehmenden wurde der letzte Befragungsbogen (Abschlussbefragung) nicht ausgefüllt. Bei 19 Teilnehmenden der frühen Gruppen wurde ein Probefragebogen ausgefüllt, der zur Verfeinerung des endgültigen Fragebogensatzes genutzt wurde, aber mit den Ergebnissen der verwendeten Fragebögen nicht verglichen werden konnte.
Von den N=72 inkludierten Personen nahmen 4 an 4 Sitzungen, 61 an 5 Sitzungen und 7 an 6 Sitzungen teil, da eine zusätzliche Sitzung in einigen der 18 Gruppen als Ausgleich für Fehlstunden angeboten wurde, aber von allen Gruppenmitgliedern genutzt werden konnte.
Eine Nachbefragung fand zehn Wochen nach Ende der letzten Befragung ohne vorherige Ankündigung statt und ging an alle E-Mail-Adressen der Teilnehmenden. Es wurden überwiegend offene Fragen zur Akzeptanz und Weiterführung des Projekts gestellt. Dreizehn (n=13) ausgefüllte Bögen wurden zurückgesandt (Dropout von n=59 im Follow-Up). Die Antworten der offenen Fragen sind im Anhang 1 [Anh. 1] und können nur explorativ betrachtet werden.
Studiendesign
In dieser einarmigen Studie im Prä-Posttest Design wurden fünf künstlerisch begleitete Stunden durchgeführt. Jede der angeleiteten Stunden beinhaltete eine Ankommensrunde, meist mit entspannender Körperübung oder mentaler Reise, eine angeleitete künstlerische Übung, den Austausch darüber und eine Verabschiedung. Oft wurden Breakout-Rooms genutzt, in denen sich zwei oder mehrere Teilnehmende in intimerem Setting über ein Thema oder ihre Bildwerke austauschen konnten, bevor sich wieder alle im Plenum sammelten. Die benötigten Materialien, ggf. auch das Thema der Stunde wurde den Teilnehmenden von den Anleiter:innen einige Tage vorher per E-Mail mitgeteilt. In jeder der 5–6 Übungsstunden (T1–T6) wurde am Anfang und am Ende per Chatfunktion im Zoomraum der Link zu den Fragebögen zum sofortigen Ausfüllen geteilt. Die Befragung in Bezug auf die Immediateffekte enthielt ein Stressthermometer und Einzelfragen zur Gestimmtheit, Verbundenheit und nach der Stunde zusätzlich vier Fragen zum Ästhetischen Erleben (Abbildung 1 [Abb. 1]).
Abbildung 1: Studiendesign und Participant-Flow zur quantitativen Auswertung
Intervention
Die Anleiter:innen stellten Sequenzen aus einem der folgenden künstlerischen Themenbereiche zusammen: Naturverbindung, Wort und Bild, Imaginationen, Balance oder Foto. In allen Fällen wurde die Übung in die oben beschriebene Struktur eingebettet. Als konkretes Beispiel wird hier die Übung „Achtsames Falten“ exemplarisch genannt, die mit einem Bogen Druckerpapier und Bunt- oder Filzstiften durchführbar ist. Die Anleiter:innen laden die Teilnehmenden ein, ihr Papier haptisch zu erkunden, als würden sie dem Objekt zum ersten Mal begegnen. Vorsichtig und sehr achtsam wird es in den Händen zerknüllt. Dabei entstehen Geräusche, vielleicht Gerüche und eine geballte Form in der Hand. Das sorgsam glattgestrichene Papier trägt nun eine faszinierende Struktur, die farbig ausgearbeitet werden kann. Das Ergebnis wird gezeigt, vorgestellt, die Erlebnisse besprochen, in Kleingruppen (Breakout-Sessions) und/oder im Plenum (Abbildung 2 [Abb. 2]).
Abbildung 2: Sitzung „achtsames Falten“
Erhebungsinstrumente
Die verwendete Online-Plattform war Zoom (zoom.us, Version 5.6-5.7), des Weiteren wurden die Online-Fragebögen über Soscisurvey (soscisurvey.de/de/academic) per Link für die Teilnehmenden in den Zoom-Chat gestellt und vor- bzw. nach dem Meeting ausgefüllt (siehe Fragebögen in Anhang 2 [Anh. 2], freie Antworten in Anhang 1 [Anh. 1], Anhang 3 [Anh. 3], Anhang 4 [Anh. 4], Anhang 5 [Anh. 5], Anhang 6 [Anh. 6] und Anhang 7 [Anh. 7]). Als geteiltes Whiteboard wurden Flinga-Boards (https://flinga.fi/) zum gemeinsamen Betrachten der Bildwerke genutzt.
Mit der Einladung in den Zoomraum vor der ersten Stunde, wurde den Proband:innen der erste Fragebogen zugesandt. Er enthielt ein umfangreiches Befragungspaket für die langfristige Prä-Post-Evaluation. Neben der Einverständniserklärung über die Nutzung der erhobenen Daten in anonymisierter Form, Informationen zum Datenschutz und Anleitung zum Generieren eines persönlichen sechsstelligen Codenamens, wurden die soziodemografischen Daten erhoben.
Das ästhetische Erleben als kunsttherapeutischer Wirkfaktor wurde mit dem AF-CAT-Fragebogen [17] erhoben (Alle Fragebögen im Anhang 2 [Anh. 2]). Es wurde nach Faktoren wie erlebte Schönheit („Wie viel Schönheit haben Sie erlebt?“), Flow („Wie stark war Ihr Erleben von Flow (=das Aufgehen in einer Tätigkeit)?“), Glücksgefühl, Verbundenheit mit dem Selbst und Verbindung mit der Gruppe erfragt. Der AF-CAT enthielt 17 geschlossene Fragen (Skala 1=gar nicht bis 6=sehr stark) und eine offene Frage, die sich auf die letzten 60 Minuten (Sitzungseinheit) bezogen (siehe Anhang 3 [Anh. 3]), ferner eine offene Frage zur Gruppe und zum besseren Verständnis (Anhang 4 [Anh. 4]). Es wurde eine offene Frage zur Begleitung und zwei offene Fragen zum Erfahrungsgewinn und der Möglichkeit Ideen und Wünsche mitzuteilen, für diese Studie in dem Post-Fragebogenpaket hinzugefügt (siehe Anhang 5 [Anh. 5] und Anhang 6 [Anh. 6]).
Das Stresserleben wurde mit dem PSQ-20 [13], in der deutschen Version erhoben (Reliabilität: Interne Konsistenz: Cronbachs Alpha=.80–.86. Split-half-Reliabilität: r (Guttmann)=.69–.86, r (Spearman-Brown)=.74–). Die 20 Items beziehen sich auf Sorgen, Anspannung („Ich fühlte mich ausgeruht“), Freude und Anforderungen („Ich hatte das Gefühl, dass zu viele Forderungen an mich gestellt werden.“) mit einer Skala von 1=fast nie bis 4=meistens.
Der HSI-24 in der deutschen Version [14] wurde verwendet, um die emotionale Befindlichkeit in den fünf Dimensionen Anspannung („Ich fühle mich im Moment… …entspannt“), Coping („…ressourcenreich“), positiver Affekt („…guter Stimmung“), Angst, Depressiver Affekt und Vitalität in 24 Items mit einer Skala von 1=trifft nicht zu bis 5=trifft genau abzufragen, Reliabilität Cronbach’s Alpha=.63 [14].
Als kurze Abfrage des Wohlbefindens, bezogen auf die letzten vier Wochen, wurde der WHO-5-Fragebogen in der Version von 1998 [15] angewandt (Reliabilität: Cronbach’s Alpha=.92). Beispiel-Item: „In den letzten vier Wochen… …war ich froh und guter Laune“ oder „…habe ich mich ruhig und entspannt gefühlt“, mit einer Skala von 1=zu keinem Zeitpunkt bis 6=die ganze Zeit.
Mit einem selbstentwickelten „Stressthermometer“ mit einer zehnstufigen Skala von 1=sehr entspannt (grün unterlegt) bis 10=sehr gestresst (rot unterlegt), wurde das unmittelbare subjektive Stressempfinden vor und nach der Stunde abfragt. Dazu wurde immer auch ein selbstentwickeltes Item zur Verbundenheit abgefragt („Wie verbunden fühlen sie sich mit den anderen in der Gruppe?“), auf einer Skala von –3=unverbunden bis +3=verbunden.
Die Befragungsergebnisse werden im Verlauf der Sitzungen 1–6 dargestellt und verglichen (offene Antworten dazu im Anhang 7 [Anh. 7]). Am Ende jeder Sitzung wurden vier kunsttherapeutische Wirkfaktoren (aus dem AF-CAT) mit einer sechsstufigen Skala (1=gar nicht bis 6=sehr) abgefragt: „Die künstlerische Begleitung hat mir gutgetan“, „Wie viel Schönheit haben sie erlebt?“, „Wie stark sind sie in der Tätigkeit aufgegangen?“ und „Wie stark fühlen sie sich bewegt/ berührt?“ (siehe Anhang 8 [Anh. 8]).
Explorative Nachbefragung
Drei Monate nach Ende der künstlerischen Gruppen, wurden alle Teilnehmenden angeschrieben und gebeten einen Nachbefragungsbogen zur Akzeptanz und Weiterführung der künstlerischen Tätigkeit und Gruppen mit vier geschlossenen Fragen (ja/nein) und fünf offenen Fragen auszufüllen (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Es wurden 13 Fragebögen zurückgeschickt.
Datenanalyse
Die Datenerhebung der Studie wurde zwischen Januar und Juli 2021 mit dem Online-Assessment-Tool SoSci-Survey über die Meeting-Plattform Zoom durchgeführt. Alle mit SoSci-Survey erhobenen Daten wurden mit Microsoft Excel (Version 16.55), IBM SPSS (Version 26.0) und JASP (Version 0.10.2) aufbereitet und im Prätest-Posttest Vergleich mit t-tests analysiert. Die unabhängigen Variablen wurden zu allen Erhebungszeitpunkten auf Normalität, Ausreißer und fehlende Daten überprüft. Durch die Verwendung von SoSci-Survey als Online-Assessment-Tool war es möglich, sicherzustellen, dass die Teilnehmenden zu jedem Item Angaben machten, bevor die nächste Seite aufgerufen werden konnte. Fehlende Daten entstanden, wenn der Fragebogen nicht ausgefüllt wurde (n=2), durch Abbruch im Verlauf der Studie (n=23) oder wenn abweichende Fragebögen ausgegeben und ausgefüllt wurden (n=19), was insgesamt zu n=48 Datensätzen mit missing data führte.
Das Signifikanzniveau für alle Analysen wurde auf a<.05 festgelegt. T-Tests für abhängige Stichproben wurden für Vergleiche innerhalb der Gruppe zwischen T0 und T6 verwendet, die statistischen Annahmen für die jeweiligen Tests wurden überprüft.
Ergebnisse
Soziodemographie der Stichprobe
Die zu 87,5% weibliche Stichprobe im Alter von 22–68 Jahren, hat ihren Lebensmittelpunkt zu 95% in Deutschland und gibt eine ethnische Zugehörigkeit zu 86% zu Deutschland an mit Heimatsprache Deutsch (94,4%). Die Religionszugehörigkeit teilt sich auf in „keine Religion“ (44,1%), Evangelisch (28%) und katholisch (13%). Künstlerisch vorerfahren sind 79,2% der Teilnehmenden (Tabelle 1 [Tab. 1]).
Hypothesentests
Im Posttest zeigten die Teilnehmenden signifikant verbesserte Werte für die Scores Stress, Befindlichkeit, Wohlbefinden, Ästhetisches Erleben und Verbundenheit (Tabelle 2 [Tab. 2]). Die Veränderung der Mittelwerte vom Anfang zum Ende der Online-Begleitung war für alle fünf mit Fragebögen erhobenen Faktoren signifikant. Der Stress (PSQ-20) nahm signifikant ab t(72)=–5.64; d=0.66, die Befindlichkeit (HSI-24) verbesserte sich t(72)=–6.67; d=–0.78, das Wohlbefinden (WHO-5) erhöhte sich t(72)=–5.75, d=–0.68, das Ästhetische Erleben (AF-CAT) t(72)=–12.17; d=–1.43, und das Gefühl der Verbundenheit (t(72)=–9.32; d=–1.10) nahmen zu. Aufgrund der Alphafehler-Kumulierung bei mehreren t-tests ist der p-Wert durch 5 zu teilen, er bleibt dabei signifikant (Tabelle 2 [Tab. 2], Abbildung 3 [Abb. 3]).
Tabelle 2: Deskriptivwerte und Mittelwertvergleich mit t-test Prä (T1) – Post (T6/ letzte Sitzung)
Abbildung 3: Mittlerer Effekt der künstlerischen Online-Begleitung
Verlauf der Outcomes jeder Sitzung
Das Stressempfinden verbesserte sich in jeder Online-Sitzung (in der ersten Sitzung t(72)=–11.98; p<.01; d=–1.41). Dieser Immediateffekt veränderte sich nicht im Verlauf der sechs Sitzungen. Die Differenz von vor der Stunde zu nach der Stunde bleibt über die sechs Sitzungen recht konstant. Die Frage nach der momentanen Gestimmtheit („Wie fühlen sie sich jetzt gerade?“) wird vor der Stunde (Skala 1–6 mit 1=unwohl/ 6=wohl) weniger gut beurteilt als nach der Stunde (in der ersten Sitzung t(72)=–7.82; p<.001; d=–0.92). Sie verändert sich auch in jeder Online-Sitzung. Auch hier wird von der ersten zur letzten Stunde keine deutliche Veränderung sichtbar. Auf der Skala mit 1=negativ und 6=positiv wird die Frage nach der momentanen Gestimmtheit vor der Stunde negativer beurteilt als nach der Stunde (in der ersten Sitzung t(72)=–5.84; p< .001; d=–0.69). Die empfundene Verbundenheit verbessert sich in jeder Sitzung (in der ersten Sitzung t(72)=–11.66; p<.001; d=–1.37), ab der dritten Stunde wird die Tendenz zu einer absoluten Zunahme deutlich. Die vier kunsttherapeutischen Wirkfaktoren aus dem Fragebogen zum Ästhetischen Erleben, die nach jeder Stunde abgefragt wurden, zeigten eine Tendenz zu zunehmend positiven Werten von der ersten (Mittelwerte von 4.69 bis 5.10 auf der Skala von 1–6) zur fünften (Mittelwerte von 4.99 bis 5.53) oder sechsten Stunde (Mittelwerte von 4.86 bis 5.43). Aufgrund der unterschiedlichen Stichprobengröße von N=72 in Sitzung 1–4, N=68 in Sitzung 5 und N=7 in Sitzung 6 ist diese letzte Sitzung nicht vergleichbar mit den vorhergehenden (siehe Anhang 8 [Anh. 8]).
Ergebnisse Nachbefragung zur Akzeptanz und Weiterführung
Auf die Frage: „Hat Sie die Teilnahme an der a.l.s.o.b.-Gruppe dazu angeregt, häufiger künstlerisch tätig zu sein?“ antworteten elf Teilnehmende mit “ja“, zwei Teilnehmende mit „nein“ (alle freien Antworten Nachbefragung in Anhang 1 [Anh. 1]).
In den freien Äußerungen (siehe Anhang 1 [Anh. 1]) melden sich nur Teilnehmende zu Wort, die künstlerische Tätigkeiten aus ihrem Alltag berichten können, das reicht von „schöne Dinge anordnen“, „Ausmalen“, „Mandalas gelegt“ über „Bewusster schauen“, „Weihnachtskarten gestalten“, bis hin zur Fortführung einer Online-Gruppe und der Aufnahme eines Kunsttherapie-Studiums. Der Faktor einer künstlerischen Vorerfahrung wird später in diesem Kontext diskutiert. Die Frage „Haben sie noch Kontakt zu Ihrer a.l.s.o.b.-Gruppe oder zu einzelnen Teilnehmer:innen?“ beantworteten sieben Teilnehmende mit „ja“, sechs mit „nein“, gut die Hälfte hat also weiterhin Kontakt zur Online-Gruppe.
Drei Personen gaben an, in der Gruppe weiterhin künstlerisch tätig zu sein, vier antworteten „nein“. „Wie gestalten sich ihre Treffen, z.B. mit oder ohne Anleitung?“ wurde folgendermaßen beantwortet:
- Wir treffen uns monatlich per Zoom. Jeweils eine der Gruppe leitet das Treffen mit einer Meditation zu Beginn an. Inzwischen sind auch zwei Neue dazu gekommen.
- Wir wechseln uns ab und leiten an.
- Zu Beginn eine Meditation, danach freies Malen
Die offene Frage: „Was haben Sie gewonnen aus der Zeit in der a.l.s.o.b.-Gruppe, was wirkt noch nach bis heute?“ wurde von allen Teilnehmenden der Nachbefragung beantwortet und zeigt, dass die künstlerische Betätigung ihnen geholfen hat, sich während der Pandemie wohler zu fühlen und Stress zu reduzieren: „Sich vertiefen in spielerisches, künstlerisches Arbeiten tut gut! Entspannt. Lässt mich abschalten von anstrengenden Effizienz-Gedanken…“
In Bezug auf die eigene kreative Tätigkeit werden Aspekte von Sinnlichkeit, Freiheit, Selbstwirksamkeit, Freude genannt: „Inspiration zum Malen/kreativ sein in der Gruppe, zum sinnlichen gefühlgeleiteten Malen. Befreiter im Anspruch an meine Kreation…“ oder „…Freue mich über die entstandenen Bilder…“, oder „ja, es war sehr gut, Zeit für die Kunst sich zu nehmen und einfach zu experimentieren“, „...Das Gefühl etwas ‚schaffen‘ zu können".
Eine Teilnehmerin fasst zusammen: „Kunst geht auch Online“.
Die freien Antworten geben auch einen Einblick in die Qualität der Verbundenheit am Anfang und am Ende der Sequenz. So ist im ersten Fragebogen zu lesen: „Bisher kenne ich die Gruppe noch nicht.“ Oder „Ich freu mich, die Gruppe kennenzulernen“. Nach der Sequenz dann folgendes: „Online ist es schon weniger leicht in Verbindung zu treten. Aber es hat funktioniert ein Vertrauen zu haben.“ „zunehmend fühlte ich mich von Mal zu Mal verbundener mit der Gruppe“ und „Es war spannend, dass Menschen, die sich erst in dieser digitalen Runde kennenlernen, so vertraut miteinander umgehen können. Fast noch vertrauter als im realen Leben.“.
Die erfragte „Bewertung im Nachhinein“ reicht von einem kurz gefassten „super“ bis zu anrührenden Aussagen wie: „Es war liebevoll. Ich erinnere mich gerne als positive Erlebnisse daran. Wenn ich zurückdenke, lächle ich.“
Unter den freien Antworten findet sich kaum Negatives, allein „es war nicht immer leicht die Termine einzuhalten“, sonst viel Lob für das Format und die Durchführung: „War hilfreich und wertvoll für mich. War ein leuchtender Lichtblick in einer schweren Zeit. Hat geholfen mehr in Verbindung mit mir zu sein.“
Diskussion
Im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie, 2020, konnten wir künstlerische Online-Begleitung methodisch erproben, im zweiten Jahr 2021 mit Lockdown-Phasen, konnten die Effekte durch diese Studie quantitativ untersucht und systematisch erfasst werden. Es kam durch unser Angebot zu Stressreduktion, Befindlichkeits- und Stimmungsverbesserung (bei N=72). Auch über Online-Videokonferenz-Sitzungen konnte ein spürbares Verbundenheitsgefühl hergestellt werden. Daraus kann für die Kunsttherapie geschlossen werden, dass das Feld der Online-Angebote für vielfältige Klient:innen, ob in Gruppen oder in der Einzelbegleitung, lohnend erschlossen werden kann, auch ohne Pandemie-Bedingungen.
Marmosh stellt 2023 als einen der Effekte der Pandemie fest, dass Klient:innen nach der Pandemie mehr Vertrauen in Tele-Gruppen zeigen, als vor der Pandemie [18]. Wobei festgestellt wurde, dass die Verbundenheit mit der anleitenden Person bzw. der Therapeut:in rascher zu erfolgen scheint als unter den Online-Gruppenmitgliedern. Der Anleiter:in kommt im Online-Raum also die wichtige Rolle zu, Gruppenverbundenheit aktiv zu ermöglichen und zu pflegen [18].
Die verwendeten Befragungsinstrumente zeigen in der vorliegenden Studie durchweg positive Befunde der Gruppenvergleiche mit hoher Signifikanz (p<.001). Dennoch sind die Ergebnisse zur Verbundenheit mit der Gruppe auch kritisch zu betrachten, da sich die Teilnehmenden vorher nicht kannten und so auch nicht verbunden sein konnten. Aus den freien Antworten zur Verbundenheit ( am Ende des Ergebnisteils und Anhang 4 [Anh. 4] und Anhang 5 [Anh. 5]), wird zum einen deutlich, dass es vielfach gelungen ist, Verbundenheit innerhalb der Gruppe herzustellen und zum anderen, dass dieser Vorgang sehr individuell erfolgt und bewertet wird. Eine Klärung könnte durch einen Vergleich zwischen einer Online-Gruppe und einer Vor-Ort-Gruppe, die sich in beiden Fällen nicht vorher untereinander kennen, erfolgen.
Limitationen
Unsere Studie hat eine Reihe von Limitationen, deren bedeutsamste das Fehlen einer Kontrollgruppe ist. Ohne eine Kontrollgruppe kann nicht ausgeschlossen werden, dass Menschen im Laufe der Pandemie sich genauso stark spontan auf den gemessenen Outcomes verbesserten. Es kann Menschen ohne Online-Angebot auf anderen Wegen gelungen sein, Stress zu reduzieren. Um herauszufinden, ob die künstlerische Online-Begleitung ausschlaggebend war für die gemessenen Veränderungen, sollte in zukünftigen Studien ein Vergleich mit einer weiteren aktiven Kontrollgruppe (z.B. mit Online-Gesprächsangebot) und einer Gruppe ohne Online-Angebot erfolgen. So ließen sich die übergreifenden Wirkungen eines Online-Angebots, von den spezifischen Wirkungen künstlerischer Begleitung durch visuelle Kunstangebote unterscheiden.
Eine zweite Limitation ist der Sampling-Bias. Die Teilnehmenden meldeten sich freiwillig zu diesem im Vorhinein gut beschriebenen Angebot, waren also auch offen für künstlerisches Arbeiten, bzw. suchten dieses möglicherweise gezielt auf, da es in dieser Zeit kaum die Möglichkeit gab, in Gruppen künstlerisch tätig zu sein. Sie waren zu 87.5% weiblich und hatten zu 79.0% künstlerische Vorerfahrung. Es liegt ein Stichprobenbias vor, der einerseits durch die Freiwilligkeit und andererseits durch die Verbreitung des Angebots im Umfeld der Studierenden entstand. Zudem waren diese Menschen in der Sondersituation des Lockdowns wahrscheinlich hoch motiviert, sich aktiv aus der Isolation über dieses Online-Angebot zu befreien. Andere Hobbys und Kontakte waren zu dieser Zeit stark eingeschränkt. Die soziale Erwünschtheit positiver Ergebnisse in der angesprochenen Gruppe ist hier als Bias außerdem zu nennen. Zukünftig könnte die Abfrage der eigenen Wertekomplexe und Milieus Untergruppen unterscheiden lassen und Aussagen zu einer unterschiedlichen Wirkungsweise in verschiedene Personengruppen erlauben.
Dass die Nachbefragung nicht angekündigt war und von einem Großteil der Teilnehmenden nicht wahrgenommen wurde, stellt eine weitere Limitation dar. Die positiven Rückmeldungen kommen möglicherweise von Teilnehmenden, die ihre künstlerischen Treffen nach Ende der Studie fortgesetzt hatten (3 von 13), das wird aus den freien Antworten (siehe Anhang 1 [Anh. 1]) ersichtlich: „Wir treffen uns monatlich per Zoom. Jeweils eine der Gruppe leitet das Treffen mit einer Meditation zu Beginn an. Inzwischen sind auch zwei Neue dazu gekommen.“
Die Befunde erlauben eine erste Einschätzung der Methode zur Eignung für alle Altersgruppen: es meldeten sich keine Personen über 68 Jahren, d.h. es ist unklar, ob das Format für Seniorenbegleitung geeignet ist. Eine Übersichtsarbeit von Turcotte et al. zur Teilnahme an präventiven Gesundheitsangeboten für Personen über 65 Jahren benennt verschiedene Barrieren: neben der Erwartung eines hohen Aufwands bei geringer Wirksamkeit gibt es die altersbedingten Barrieren der verwendeten Technologien, wie kleine Schrift und Icons oder andere sensorische Beeinträchtigungen [19].
Die künstlerische Vorbildung der Anleitenden durch das Studienfach „Kunsttherapie-Sozialkunst“ war Voraussetzung für das Angebot der künstlerischen Online-Begleitung. Ohne diese Qualifikation hätten die Studierenden diese nicht in der erforderlichen Qualität anbieten können. Das heißt, für die Reproduktion der Ergebnisse sind vergleichbar qualifizierte Anleitende heranzuziehen.
Ob das Angebot auch in anderen Situationen zu ähnlichen Ergebnissen führen kann, müsste außerhalb der pandemischen Situation in einer Vergleichsstudie geprüft werden. In Frage käme hier die Arbeit mit Personen, die sich in einer Situation der Kontaktbeschränkung befinden (Strafgefangene) oder auch internationale Gruppen, die Interesse haben, sich länderübergreifend zu besonderen Themen, Sprache oder Kultur auszutauschen. Tucker et al. schlussfolgern, dass digitale Angebote für die, die aufgrund von Ängsten und psychischen Einschränkungen Schwierigkeiten bei der Teilnahme an Unterstützungsangeboten haben zu einer besseren Teilhabe führen können [9]. Das heißt Online Angebote wären auch für diese Klientele ein sinnvolles Unterstützungsangebot.
In den freien Antworten zur Frage: „Was haben Sie durch diese Erfahrung gewonnen, was nehmen sie mit?“ (siehe Anhang 5 [Anh. 5]) überwogen Positivität und Dankbarkeit: „Ich nehme große Wertschätzung, Offenheit aber auch die innerliche Freude mit.“ Oder „Es ist schön gemeinschaftlich in ästhetische Prozesse zu gehen und darüber in den Austausch zu kommen. Es entstehen andere Begegnungen mit einem selbst und anderen.“
In den erfragten Wünschen und Anregungen (siehe Anhang 5 [Anh. 5]) gab es viel Zufriedenheit mit dem angebotenen Format („Keep going“), aber auch einzelne Kritikpunkte, die bei neuen Angeboten berücksichtigt werden können: „Evtl. Menschen, die weniger Kunsterfahrung haben, besser abholen vom Stand der Technik/ Methodik.“ Oder „Lieber weniger komplexe Aufgaben, dafür mehr Raum fürs einfühlen“ und auch einfach „mehr Zeit zum Malen“.
Fazit/Ausblick
Eine künstlerische Begleitung in einer pandemischen Isolationssituation kann für Menschen ein wichtiges Unterstützungsangebot sein. Durch das Fehlen einer Kontrollgruppe lassen die Resultate dieser Studie noch keine Schlussfolgerungen über Ursachen zu. Der nächste Schritt sollte die Testung künstlerischer Online-Begleitung in einem Kontrollgruppendesign sein.
Schließen möchten wir mit einem Patient:innen-Zitat (komplette Daten im Anhang 5 [Anh. 5]) zum entstandenen Verbundenheitsgefühl:
Anmerkungen
Interessenkonflikt
Die Autor:innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Ethische Stellungnahme
Die vorliegende Arbeit erfüllt die ethischen und gesetzlichen Bestimmungen der Helsinki-Deklaration. Alle Teilnehmenden stimmten der anonymisierten Datenauswertung und Veröffentlichung für wissenschaftliche Zwecke zu.
Literatur
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